Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Beschwerdeverfahren. Kostenübernahme gem § 109 Abs 1 S 2 SGG. Kostenentscheidung. analoge Anwendung des § 193 SGG
Leitsatz (amtlich)
Bei der Entscheidung im Beschwerdeverfahren bzgl. der Übernahme der Kosten der Begutachtung nach § 109 SGG hat auch eine Kostenentscheidung zu ergehen. Diese richtet sich unter entsprechender Anwendung nach § 193 SGG. Kostenschuldner ist ggf. die Staatskasse.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Dezember 2008 aufgehoben. Die Kosten der Begutachtung durch Prof. Dr. F. vom 27. Juli 2006 werden auf die Staatskasse übernommen.
Die Staatskasse hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG kann die von einem Versicherten beantragte gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Über die Kostenübernahme und damit eine Kostentragungspflicht der Staatskasse im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Ein vom Sozialgericht (SG) ausgeübtes Ermessen ist im Beschwerdeverfahren durch den Senat voll überprüfbar; die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache geht durch das Rechtsmittel auf das Beschwerdegericht über (Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. August 2000 - L 8 SB 2009/00 - veröffentlicht in Juris). Die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens sind nur dann auf die Staatskasse zu übernehmen, wenn das Gutachten zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht und diese damit objektiv gefördert hat (ständige Rechtsprechung des Senats, etwa Beschluss vom 2. Juli 2008 - L 13 R 1949/08 KO-B). Das Gutachten kann auch insoweit die Sachaufklärung gefördert haben, als es weitere Beweiserhebungen von Amts wegen ( z.B. auch erst im nachfolgenden Berufungsverfahren) erforderlich gemacht und dieses bestätigt hat. Dass das Gutachten die Sachaufklärung wesentlich gefördert hat, kann auch daraus abgelesen werden, dass wegen diesem ein Anerkenntnis abgegeben oder ein Vergleich geschlossen wurde (vgl. zum Ganzen Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 109 RdNr. 16a m.w.N.).
Das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. F. hat zwar nicht unmittelbar zur Verfahrensbeendigung im Berufungsverfahren geführt, es stellt dennoch einen wesentlichen Beitrag zur Sachaufklärung dar. Prof. Dr. F. hat in seinem Sachverständigengutachten bereits das Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode diagnostiziert und damit ein reduziertes zeitliches Leistungsvermögen begründet. Im nachfolgenden Berufungsverfahren hat Dr. H. ungeachtet der von der Beklagten und dem SG gerügten Widersprüche hinsichtlich des Gutachtens von Prof. Dr. F. sowohl hinsichtlich Befunderhebung, Diagnose, als auch der Leistungsbeurteilung dieses Gutachten bestätigt; auch er hat ein zeitlich reduziertes Leistungsvermögen, begründet durch die depressive Episode, angenommen. Das Gutachten von Prof. Dr. F. hat somit wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen. Dem Senat erscheint es im Hinblick auf das ihm zustehende Ermessen und den hierzu dargestellten Kriterien daher für sachgerecht, die Kosten der Begutachtung der Klägerin durch Prof. Dr. F. auf die Staatskasse zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Senat hält an seiner bisherigen Auffassung fest (Beschluss vom 2. Juli 2008, L 13 R 1949/08 KO-B, nicht veröffentlicht; so auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 30. November 2006, L 6 B 221/06 SB, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Oktober 2008, L 6 SB 4170/08 KO-B, jeweils veröffentlicht in Juris, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 176 RdNr. 5a). Der Senat folgt der in dem Beschluss vom 17. März 2009 (L 10 U 1056/09 KO-B, veröffentlicht in Juris) dargestellten Auffassung des 10. Senats des LSG Baden-Württemberg insoweit, als entgegen der Meinung des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 30. Oktober 2008 - L 11 R 3757/08 KO-B) eine Kostenerstattung nicht durch eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 66 Abs. 8 Satz 2 des Gerichtskostengesetztes (GKG) ausgeschlossen ist. Eine entsprechende Anwendung des GKG ist nach Auffassung des erkennenden Senats bereits deshalb nicht möglich, weil der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des GKG ausdrücklich auf den in § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG genannten Personenkreis begrenzt hat. Eine weitergehende Anwendung des GKG auf den Personenkreis des § 183 SGG ist nach Auffassung des Senats nicht möglich, weil es die Grenzen der analogen Anwendung überschreitet. Entgegen der Auffassung des 10. Senats ist jedoch die analoge Anwendung des ...