Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung des persönlichen Erscheinens. Nichterscheinen. Ordnungsgeldfestsetzung. Beschwerdeverfahren. eigenes Auswahl- und Entschließungsermessen des Beschwerdegerichts. selbstständiges Zwischenverfahren. eigene Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist das Beschwerdegericht nicht an das Ergebnis der Ermessensausübung durch das Sozialgericht gebunden, vielmehr steht ihm ein eigenes Auswahl- und Entschließungsermessen zu.

 

Orientierungssatz

Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbstständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (vgl LSG Darmstadt vom 7.9.2010 - L 8 KR 231/09 B = juris RdNr 13; LSG Berlin-Potsdam vom 8.3.2010 - L 5 AS 1114/09 B = juris RdNr 15 und vom 21.5.2012 - L 10 AS 423/12 B = juris RdNr 9; aA BGH vom 12.6.2007 - VI ZB 4/07 = NJW-RR 2007, 1364).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 02.10.2023 insoweit abgeändert, als das gegen ihn festgesetzte Ordnungsgeld von 300,00 Euro auf 100,00 Euro herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 300,00 Euro wegen seines Ausbleibens in einem Erörterungstermin am 24.08.2023.

In dem zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren S 12 SB 2176/22 vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 80 auf 50 seit dem 18.04.2021 streitig.

Nachdem der Beschwerdeführer bereits zu einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 30.03.2023 trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienen war, hat das SG Freiburg am 18.07.2023 einen weiteren Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 24.08.2023 bestimmt und ebenfalls das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers angeordnet. Auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens ist er durch Hinweis auf das der Ladung beigefügte Merkblatt hingewiesen worden. Die Ladung ist dem Beschwerdeführer ausweislich der Postzustellungsurkunde am 22.07.2023 zugestellt worden. Zu dem Termin am 24.08.2023 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen. Nach dem Protokoll hat der Termin um 14:30 Uhr begonnen und hat nach erneutem Aufruf um 14:50 Uhr geendet. Das SG Freiburg hat dem Beschwerdeführer in dem Protokoll, das diesem am 30.08.2023 ausweislich der aktenkundigen Postzustellungsurkunde zugestellt worden ist, schriftlich Gelegenheit gegeben, sein Nichterscheinen gegenüber dem Gericht schriftlich zu entschuldigen. Die Verhinderungsgründe seien zu belegen und die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 500,00 Euro sowie die Auferlegung der Kosten des Termins bleibe vorbehalten.

Mit Fax vom 28.08.2023 hat der Beschwerdeführer ein ärztliches Attest der Praxis „Hausärztliches MVZ K1“ vom 28.08.2023 eingereicht, nach dem der Beschwerdeführer am 28.08.2023 in der Praxis erschienen sei. Er habe am Donnerstag versucht, jemanden in der Praxis zu erreichen; der Concierge habe „da wohl aber ein Problem“ gehabt. Der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt mehrere Cluster Attacken gehabt, weshalb ihm das Aufsuchen der Praxis nicht möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer leide an einem bekannten Cluster Kopfschmerz seit 2005.

Mit Beschluss vom 02.10.2023 hat das SG Freiburg gegen den Beschwerdeführer wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin am 24.08.2023 ein Ordnungsgeld i.H.v. 300,00 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat das SG Freiburg im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens habe sich das Gericht entschlossen, ein Ordnungsgeld festzusetzen, da zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung die Vernehmung des Beschwerdeführers erforderlich sei. Es würden kaum Nachweise über ärztliche Behandlungen vorliegen, sodass die Entwicklung des Gesundheitszustandes offen sei und insoweit Angaben des Beschwerdeführers benötigt würden. Hinsichtlich der angeordneten Höhe des Ordnungsgeldes hat das Gericht dargelegt, dass es zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt habe, dass er wahrscheinlich Grundsicherungsleistungen erhalte. Zu Lasten des Beschwerdeführers sei allerdings zu berücksichtigen, dass er bereits das zweite Mal nicht zu einem Termin erschienen sei. Auch bereits im Verwaltungsverfahren habe er nicht mitgewirkt. Insoweit liege hier zumindest der Verdacht nahe, dass der Beschwerdeführer das Verfahren - um die Rechtskraft der Herabsetzung seines GdB hinauszuzögern - bewusst verzögere. Das vorgelegte Attest sei auch nicht geeignet, um eine Verhandlungsunfähigkeit darzulegen, denn die Ärzte der Hausarztpraxis hätten den Beschwerdeführer an dem Verhandlungstag überhaupt nicht untersucht und könnten insoweit keine Aussage zu seinem Gesundheitszustand treffen. Insoweit sei auch völlig unklar, w...

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