Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr. kein Anfall bei Teilanerkenntnis und (einseitiger) Erledigungserklärung im Übrigen. Erledigungsgebühr. Einwirken auf den Mandanten, einen (noch) anhängigen Anspruch nicht weiterzuverfolgen. keine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Endet der Rechtsstreit in der Hauptsache nach Teilanerkenntnis und (einseitiger) Erledigungserklärung im Übrigen, begründet dies keine (fiktive) Terminsgebühr nach Anm S 1 Nr 3 zu Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV).

2. Das bloße anwaltliche Einwirken auf den Mandanten, einen nach Teilanerkenntnis noch anhängigen Anspruch nicht weiterzuverfolgen, stellt keine qualifizierte Erledigungsmitwirkung iS der Nr 1002 iVm Nrn 1005, 1006 VV RVG dar, sodass keine Erledigungsgebühr entsteht (Anschluss an LSG Stuttgart vom 28.8.2017 - L 12 SF 912/17 E-B).

 

Normenkette

VV RVG Nr. 3106 Anm. S. 1 Nrn. 1, 3; VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 Hs. 2; VV RVG Nrn. 1000, 1002, 1005-1006; RVG § 33 Abs. 4 S. 3, Abs. 8 Sätze 1-3, § 56 Abs. 2 Sätze 1-3; SGB XI § 33 Abs. 1 S. 2; SGG § 101 Abs. 2, § 155 Abs. 4, §§ 193, 199 Abs. 1 Nr. 3

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20.03.2019 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Vergütungsfestsetzung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) streitig, ob der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 4 P 2229/18 beim Sozialgericht Ulm (SG) eine Einigungs- und eine (fiktive) Terminsgebühr beanspruchen kann.

In jenem Verfahren begehrte der dortige Kläger von der beklagten Pflegekasse „antragsgemäß“ (Antrag vom 20.11.2017) Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) unter Zugrundelegung mindestens eines Pflegegrads 1 (Ablehnungsbescheid vom 31.01.2018, Widerspruchsbescheid vom 12.06.2018). Mit Beschluss vom 13.09.2018 bewilligte das SG dem Kläger PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Nachdem das SG sodann von Amts wegen das Sachverständigengutachten der Lehrerin für Pflegeberufe Franke eingeholt hatte (Empfehlung: Zuerkennung des Pflegegrads 1 ab März 2018), anerkannte die Beklagte unter Verwahrung gegen die Kostenlast „den Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung in Pflegegrad 1 ab März 2018“; die Voraussetzungen für die Leistungen seien erst während des Verfahrens eingetreten (Schriftsatz vom 31.10.2018). Mit Schriftsatz vom 13.11.2018 nahm der Kläger „das Teil-Anerkenntnis der Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache“ an, erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und stellte Kostenantrag nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Beschwerdeführer beantragte sodann die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse i.H.v. insgesamt 1.071,00 €, wobei er eine Verfahrensgebühr (300,00 €), eine Terminsgebühr (280,00 €) und eine Einigungsgebühr (300,00 €) in Ansatz brachte (zzgl. Auslagenpauschale i.H.v. 20,00 € und 19 % Umsatzsteuer i.H.v. 171,00 €).

Mit Festsetzungsentscheidung vom 05.12.2018 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 4 P 2229/18 wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

300,00 €

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

270,00 €

Pauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

19 % USt. Nr. 7008 VV RVG

112,10 €

Summe 

702,10 €

Eine Einigungsgebühr entstehe bei der bloßen Annahme eines Anerkenntnisses zur Erledigung des Rechtsstreits nicht. Die fiktive Terminsgebühr sei auf 90 % der Verfahrensgebühr festzusetzen (Anm. Satz 2 zu Nr. 3106 VV RVG).

Mit seiner Erinnerung vom 14.12.2018 hat der Beschwerdeführer sein Begehren auf Vergütung der beantragten Einigungsgebühr weiterverfolgt. Die Beklagte habe den Klageanspruch nicht voll, sondern nur teilweise (ab März 2018) anerkannt. Die Annahme dieses Teilanerkenntnisses und die nachfolgende Erledigungserklärung der gesamten Hauptsache sei nach ausführlicher Beratung des Klägers in den Kanzleiräumen auf entsprechende anwaltliche Empfehlung erfolgt; der Kläger habe zunächst den Rechtsstreit in der Hauptsache gerade nicht (vollumfänglich) für erledigt erklären wollen. Dies - Annahme des Angebotes der Beklagten gegen Erledigung im Übrigen - stelle zudem eine Einigungsvereinbarung dar.

Der Beschwerdegegner hat seinerseits am 28.02.2019 Erinnerung gegen die Festsetzung der (fiktiven) Terminsgebühr eingelegt. Eine solche sei nicht entstanden, da sich der Rechtsstreit in der Hauptsache nicht durch ein volles Anerkenntnis, sondern lediglich durch ein Teilanerkenntnis mit anschließender Erledigungserklärung im Übrigen erledigt habe. Die Einigungsgebühr sei hingegen zu Recht nicht festgesetzt worden, da diese eine vertragliche Vereinbarung der Beteiligten voraussetze, wovon vorliegend indes keine Rede sein könne...

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