Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachforderung. Sozialversicherungspflicht. Mitarbeiter eines Einzelunternehmens. geschäftsführender Gesellschafter. Mitunternehmer. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. unbillige Härte

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Einzelunternehmen trägt idR nur der Inhaber das eine Selbständigkeit begründende Unternehmerrisiko. Mitarbeiter eines Einzelunternehmens sind ebenfalls als Selbständige einzustufen, wenn sie Mitunternehmer iSd § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG sind.

 

Orientierungssatz

Allein die mit der Zahlung einer Beitragsforderung für den Arbeitgeber verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zur Annahme einer unbilligen Härte, weil sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Eine beachtliche Härte in diesem Sinn ist nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Zerstörung seiner Lebensgrundlage zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als derzeit (Anschluss an LSG Essen vom 10.1.2012 - L 8 R 774/11 B ER).

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bzw Berufung gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2012 wird abgelehnt.

Die Kosten des Antragsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 13.598,42 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Hauptsacheverfahren gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese vom Antragsteller Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 54.393,68 € fordert.

Der 1936 geborene Antragsteller war Inhaber eines Fotogeschäfts. Dieses Fotogeschäft übertrug er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seinen 1966 geborenen Sohn, den Beigeladenen zu 1. Dieser gründete mit Gesellschaftsvertrag vom 27.04.2012 eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Betrieb eines Foto-Fachgeschäfts, der Einzel- und Großhandel mit Foto- und Unterhaltungselektronik-Artikeln und die Erbringung entsprechender Dienstleistungen ist. Der Beigeladene zu 1 ist alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Die Eintragung der GmbH in das Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart erfolgte am 09.07.2012 unter der Nummer HRB ... Der Antragsteller betrieb sein Fotogeschäft in den Räumen des Beigeladenen zu 1). Dieser hatte das Betriebsgrundstück bereits 1998 erworben und an seinen Vater vermietet; dort befindet sich auch heute noch das Ladengeschäft.

Der Beigeladene zu 1) war geschäftsführender Gesellschafter in einem Fotogeschäft in C.. Er nahm seine Tätigkeit im Betrieb seines Vaters am 01.07.2006 auf. Der Antragsteller und der Beigeladene zu 1 schlossen am 15.06.2006 einen schriftlichen Vertrag, der als “Dienstvertrag„ überschrieben ist und in dem der Antragsteller als “Arbeitgeber„ und der Beigeladene zu 1 als “Arbeitnehmer„ bezeichnet wird. Der Vertrag hat folgenden Wortlaut:

Ҥ 1

Herr J. B. tritt ab 01.07.2006 in die Dienste der Firma Foto B. ein.

Der Arbeitsvertrag ist unbefristet.

§ 2

Herr J. B. wird als alleiniger Fachmann eingestellt und leitet den Gesamtbetrieb.

§ 3

Das Gehalt beträgt Euro 5000 monatlich.

Die Zahlung des Gehaltes und eventuelle Zulagen erfolgt nachträglich jeweils am Ende des Kalendermonats und wird auf das Girokonto des Arbeitnehmers überwiesen. Die Höhe des Gehaltes ist vertraulich zu behandeln.

§ 4

Die Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen, Überstunden werden nicht vergütet.

§ 5

Der Arbeitnehmer erklärt ausdrücklich, daß er bei Antritt der Beschäftigung besondere Ansprüche oder Schutzrechte (die z. B. auf Mutterschutzgesetz, Schwerbeschädigtengesetz oder sonstigen Gesetzen beruhen), nicht hat. Spätere diesbezügliche Veränderungen sind dem Arbeitgeber unaufgefordert und so früh wie möglich mitzuteilen.

§ 6

Der Jahresurlaub richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen.„

Mit einem an den Antragsteller adressierten Schreiben vom 22.06.2010 kündigte die Antragsgegnerin eine Betriebsprüfung für den 16.08.2010 in den Geschäftsräumen des Steuerberaters des Antragstellers an. An diesem Tag fand auch eine Prüfung von Unterlagen im Büro des Steuerberaters statt. Eine erste Abschlussbesprechung erfolgte am 31.01.2011 bevor am 07.02.2012 eine weitere Prüfung bei den Steuerberatern vorgenommen wurde. In der Zeit dazwischen versandte die Antragsgegnerin einen Fragebogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 (am 11.02.2011), der vom Steuerberater am 17.08.2011 ausgefüllt zurückgesandt wurde.

Mit einem an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 23.05.2012 entschied die Beklagte, dass der Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.12.2009 ni...

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