Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Fahrertätigkeit. Existenzgründungszuschuss. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. buchführungspflichtiger Kaufmann. einstweiliger Rechtsschutz. drohende Überschuldung ist keine Begründung für unbillige Härte
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit ist es ohne Bedeutung, ob der Beschäftigte von einem Träger der Sozialversicherung eine Leistung (hier: Existenzgründungszuschuss) erhält, zu deren Voraussetzungen die Aufnahme oder Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gehört.
2. Bei einem nach § 238 HGB buchführungspflichtigen Kaufmann lässt sich eine unbillige Härte iS des § 86a Abs 3 S 2 SGG nicht mit einer drohenden Überschuldung begründen, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage die Fälligkeit einer durch Verwaltungsakt festgesetzten Beitragsforderung nicht berührt.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 Nr. 2; SGB IV § 28p Abs. 1, § 7 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1; SGB IV § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 2, § 25 Abs. 1, 2 Sätze 2, 4; HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.05.2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.712,89 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit seiner Beschwerde erstrebt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem diese nach Durchführung einer Arbeitgeberprüfung Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 71.131,81 € fordert.
Der Antragsteller betreibt als Einzelunternehmen die Firma N. M. Transporte mit Sitz in R.. Er besitzt mehrere Lastkraftwagen (Lkw) und Transporter und beschäftigt nach eigenen Angaben ca 35 bis 45 Mitarbeiter. Nach einer von seinem Steuerberater und Prozessbevollmächtigten vorgelegten Vermögensaufstellung mit Stand 31.12.2012 beläuft sich das Vermögen des Antragstellers auf 689.118,41 €, die Schulden betragen 804.406,11 €. Der Antragsteller beschäftigte in der Zeit vom 01.04.2007 bis 31.08.2010 Frau S. R. (R) und in der Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.11.2011 Herrn A. L. (L) als Fahrer. Schriftliche Verträge zwischen dem Antragsteller und R sowie L liegen nicht vor. Mündlich wurde vereinbart, dass R und L nach Anzahl der geleisteten und nachgewiesenen Stunden bezahlt wurden; dies wurde auch tatsächlich so gehandhabt. Die Fahrten wurden mit Fahrzeugen des Antragstellers durchgeführt. Die Fahrzeuge wurden auch auf Rechnung des Antragstellers betankt. Die Abrechnung erfolgte am Monatsende. R und L stellten dem Antragsteller jeweils eine Rechnung. Darin wurden die von ihnen geleisteten Stunden mit dem vereinbarten Stundenlohn (11 € bis 13 €) multipliziert. Das Produkt wurde um die Mehrwertsteuer erhöht und dieser Betrag vom Antragsteller gefordert und von diesem bezahlt. Sozialversicherungsbeiträge wurden für R und L nicht abgeführt, da der Antragsteller davon ausging, dass R und L als freie Mitarbeiter einzustufen sind.
Im August 2011 begann die Antragsgegnerin mit einer Betriebsprüfung beim Antragsteller. Ein Jahr später, im August 2012, übersandte sie dem Antragsteller, R und L jeweils einen Fragebogen (Schreiben vom 09.08.2012), den diese ausgefüllt wieder an die Antragsgegnerin zurücksandten; auf Bl 9, 15 und 16 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin wird Bezug genommen. Nach einer Anhörung des Antragstellers, R und L stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 07.01.2013 eine sich aus der Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 ergebende Nachforderung von 96.858,81 € fest. Darin enthalten waren auch Säumniszuschläge in Höhe von 25.727 €. Für das Jahr 2007 beliefen sich die nachgeforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge (ohne Säumniszuschläge) auf 7.533,83 € und für das Jahr 2008 auf 12.746,44 €.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 16.01.2013 Widerspruch ein. Gleichzeitig beantragte er in voller Höhe die Aussetzung der Vollziehung. Er vertrat die Auffassung, dass die Tätigkeit von R und L nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Beide seien als Subunternehmer für ihn tätig geworden. Sowohl R als auch L hätten ihm versichert, dass sie selbständige Unternehmer seien, die Eingliederungsleistungen für Selbständige nach dem Sozialbuch erhalten hätten. Seit 1998 greife er auf zwei bis fünf Subunternehmer zurück, um Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie Überkapazitäten abzudecken. Deshalb seien auch zu Unrecht Säumniszuschläge erhoben worden. Die Selbständigkeit von R und L sei vom Finanzamt im Rahmen der Lohnsteuerprüfung regelmäßig lückenlos geprüft worden. Überdies wären die Beitragsforderungen verwirkt, da die Beauftragung von Subunternehmern bei der die Jahre 2003 bis 2006 umfassenden Betriebsprüfung nicht beansta...