Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten. Entscheidungsreife. Notwendigkeit "weiterer Ermittlungen" iS von § 118 Abs 2 S 3 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife eines PKH-Antrages im sozialgerichtlichen Verfahren in Abgrenzung zur Notwendigkeit "weiterer Ermittlungen" iS von § 118 Abs 2 S 3 ZPO.

 

Orientierungssatz

Bei § 118 Abs 2 S 3 ZPO handelt es sich um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter. Sie findet ua nur Anwendung, wenn auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Norm wird bereits in der zivilprozessualen Literatur als sehr eng auszulegende Ausnahmevorschrift angesehen. Damit aber dürfte ein Anwendungsbereich im sozialgerichtlichen Verfahren erst recht kaum denkbar sein (vgl LSG Darmstadt vom 29.3.2006 - L 4 B 63/06 ARG V).

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Stuttgart (S 18 R 5778/09) begehrt der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der geborene Kläger beantragte am 3. April 2009 bei der Beklagten zum wiederholten Mal Rente wegen Erwerbsminderung (in dem früheren Klageverfahren S 9 R 6327/05 hatte der Kläger die Berufung gegen den klagabweisenden Gerichtsbescheid zurückgenommen). Nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte erstattete im Auftrag der Beklagten die Allgemeinmedizinerin Dr. P. das Gutachten vom 30. April 2009. Auf der Grundlage der von ihr diagnostizierten Herzerkrankungen, der vom Kläger angegebenen Rückenschmerzen ohne Funktionseinschränkung sowie des Seeverlustes des rechten Auges nach Sportunfall führte Dr. P. unter anderem aus, dass bei der Begutachtung weder in Ruhe noch bei Belastung eine Dyspnoe aufgetreten sei. Auch die durchgeführte Blutgasanalyse habe sich unauffällig dargestellt. Ebenso sei die vom behandelnden Kardiologen Dr. H. im November 2008 (gemeint wohl Dezember 2008) durchgeführte Belastungsergometrie nicht auffällig gewesen. Unter Berücksichtigung der insgesamt erhobenen Befunde könne ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Eigen- oder Fremdgefährdung, ohne erhöhte Unfallgefahr und ohne Bedarf an hohem Sehvermögen sowie räumlichem Sehen festgestellt werden.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2009 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab.

Hiergegen hat der Kläger am 26. August 2009 Klage vor dem SG erhoben und gleichzeitig unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich entsprechender Belege die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er sei aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes mit starken Herzbeschwerden, schweren Beinen, Atemnot und Schweißausbrüchen nicht in der Lage, zu arbeiten. Bei der fünfzehnminütigen Untersuchung durch die Kardiologen sei er nach seinem Befinden gefragt worden, wobei er immer angebe, was ihm schwer falle (Treppensteigen, Einkaufen, körperliche Tätigkeiten wie Wohnung putzen), und nach den Auswirkungen (Schwindel, Herzrasen, Schweißausbrüche, schwere Beine, Atemnot). Dies sei bis jetzt von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Die epileptischen Erscheinungen seien zwar mit Medikamenten eingestellt, doch durch den Verlust des rechten Augenlichtes sei eine höhere Konzentration erforderlich, was zu Kopfschmerzen und Schwindelanfällen führe.

Mit Schreiben vom 14. September 2009 (Eingang beim SG am 15. September 2009) teilte Rechtsanwältin S. mit, dass sie zur Vertretung des Klägers bereit und mit einer Beiordnung einverstanden sei.

Mit Verfügung vom 11. September 2009 bzw. Schreiben vom 17. September 2009 holte das SG bei den behandelnden Ärzten sachverständige Zeugenauskünfte ein. Der Facharzt für innere Medizin und Kardiologie Dr. H. teilte in seiner Auskunft vom 7. September 2009 mit, dass die Untersuchungsergebnisse des Gutachtens mit denen seiner Untersuchung vom Dezember 2008 übereinstimmen würden. Im Hinblick auf die kardiologische Belastbarkeit gehe er nicht konform mit der Beurteilung der Gutachterin. Unter Würdigung der Ergometrie vom Dezember 2008 seien keine mittelschweren körperlichen Belastungen und auch keine schweren körperlichen Belastungen tolerierbar. Im Hinblick auf die weiterhin vorhandene Problematik mit Zustand nach epileptischen Krampfanfall und Sehstörung des rechten Auges sehe er aber keine Unterschiede in der Beurteilung. Leichte körperliche Tätigkeiten seien sicherlich mindestens sechs Stunden pro Tag abzuverlangen. Der Facharzt für Neu...

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