Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Betriebsprüfung. Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen. aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs. Dauer. angeworbene Betreuungskräfte aus Polen und der Slowakei. Vermittlung an Privathaushalt. Freier-Mitarbeiter-Vertrag. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Rechtsbehelfsbelehrung. Jahresfrist. Interessenabwägung. Erfolgsaussichten. Unbillige Härte. Unternehmerrisiko
Leitsatz (amtlich)
1. Die vom Sozialgericht angeordnete aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wird durch den Erlass des Widerspruchsbescheides nicht unterbrochen. Die aufschiebende Wirkung dauert bis zur Bestandskraft des Widerspruchsbescheides fort.
2. Aus Polen und der Slowakei angeworbene Betreuungskräfte, die an private Haushalte "vermittelt" werden, können bei der Firma, die die "Vermittlung" vornimmt, abhängig beschäftigt sein.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 28p Abs. 1; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 Nr. 2, § 66 Abs. 2
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 20.03.2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz auf 4.280,32 € und für das Beschwerdeverfahren auf 2.878,13 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2013 über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.02.2007 bis 30.09.2009.
Der Antragsteller hat zum 01.11.2005 ein Gewerbe für einen 24 h-Haushaltsservice angemeldet. Er bietet eine 24-h Dauerbetreuung an und vermittelt dazu Betreuer aus Polen und der Slowakei, die im Haushalt eines Pflegebedürftigen wohnen und diesen versorgen. Zu deren Aufgaben gehört nach einem Flyer des Antragstellers Kochen, Aufräumen, Reinigen, Kehrwoche, Wäschepflege, Einkaufen, Bügeln, Hilfe bei der Nahrungsaufnahme, Unterstützung beim An- und Ausziehen, beim Toilettengang, bei Arztbesuchen, Erledigungen, mobilisierenden Spaziergängen und Ausflügen. Hierfür schließt der Antragsteller mit dem Kunden einen Dienstleistungsvertrag; der Kunde zahlt für 24 Stunden Dauerbetreuung 1.666 € monatlich an den Antragsteller zuzüglich einer einmaligen Vermittlungsprovision iHv 714 €. Daneben schließt der Antragsteller auf maximal drei Monate befristete “Freie-Mitarbeiter-Verträge„ mit der Person, die beim Kunden eingesetzt werden soll und die hierfür monatlich idR 950 € erhält.
2009 nahm das Hauptzollamt H. Ermittlungen wegen des Verdachts der Schwarzarbeit gegen den Antragsteller auf. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart stellte mit Beschluss vom 26.05.2011 das Verfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 170 Abs 2 Strafprozessordnung ein, da ein Vorsatz dem Antragsteller nicht nachzuweisen sei.
Beim Antragsteller erfolgte für den Prüfzeitraum 01.01.2006 bis 31.12.2009 eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), die zu keinen Beanstandungen führte. Hierüber erhielt der Antragsteller eine Prüfmitteilung vom 20.10.2010.
Am 22.02.2012 erfolgte nach Hinweis des Hauptzollamtes auf die durchgeführten Ermittlungen eine weitere Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.02.2007 bis 30.09.2009. Nach Anhörung mit Schreiben vom 24.02.2012 stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25.10.2012 fest, der Antragsteller habe im Prüfzeitraum vier polnische Arbeitnehmerinnen beschäftigt (C. P., I. Z., R. S., St. Z.), bei denen es sich nicht um Selbstständige gehandelt habe. Für den Prüfzeitraum wurden insgesamt Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv 8.560,63 € nachgefordert. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein.
Am 03.01.2013 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Heilbronn (SG) einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Er macht geltend, die vier polnischen Haushaltshilfen seien selbstständig. Er habe ein Gewerbe angemeldet und die Zulässigkeit der Vertragsgestaltung durch einen Rechtsanwalt (den vorliegend Bevollmächtigten) prüfen lassen und eine Auskunft der Bundesagentur für Arbeit eingeholt.
Das SG hat mit Beschluss vom 20.03.2013 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 25.10.2012 angeordnet, soweit mehr als 5.756,25 € an Beiträgen gefordert werden. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Rahmen des § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei unter Gegenüberstellung der Interessen des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eine Abwägungsentscheidung zu treffen. Ausschlaggebend seien dabei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Es bestünden keine Zweifel, dass die Antragsgegnerin zu Recht Beiträge für die Beschäftigung der Haushaltshilfen R. S. und St. Z. für die Jahre 2008 und 2009 erhebe. Rechtsgrundlage sei § 28p SGB IV, wonach ...