Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Angemessenheit. Nachweis eines konkreten Wohnungsangebots. einstweiliger Rechtsschutz. befristete vorläufige Leistungsgewährung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Wohnung nach § 22 SGB 2 sind die vom Bundesverwaltungsgericht (vgl BVerwG vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 = BVerwGE 97, 110 und vom 30.5.1996 - 5 C 14/95 = BVerwGE 101, 194) zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätze heranzuziehen. In welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Mietpreissituation auf dem für die Angemessenheitsprüfung maßgeblichen regionalen Wohnungsmarkt, angemessen sind, bemisst sich anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen (vgl BVerwG vom 28.4.2005 - 5 C 15/04 = NVwZ 2005, 1197).
2. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro Quadratmeter (vgl LSG Essen vom 24.8.2005 - L 19 B 28/05 AS ER). Dabei ist in Baden-Württemberg in Anlehnung an das Wohnungsbindungsrecht für Alleinstehende eine Wohnfläche von 45 qm als angemessen anzusehen.
3. Der Leistungsträger muss kein konkretes Wohnungsangebot nachweisen, wenn der Hilfebedürftige ersichtlich nichts unternimmt, um eine kostengünstigere Wohnung zu finden.
4. Die vorläufige Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann befristet werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 05. Oktober 2005 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 01. Juli 2005 - unter Anrechnung der bereits erfolgten Zahlungen - Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 401,18 € zu gewähren
Die einstweilige Anordnung wird - unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit - zeitlich begrenzt bis längstens 30. April 2006.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Antrags- und Beschwerdeverfahren.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Übernahme höherer Kosten für Unterkunft und Heizung.
Der am ... geborene und noch verheiratete Antragsteller bewohnt seit Juli 1998 eine in H. gelegene Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Größe von 76 m 2 , für die er eine Kaltmiete von monatlich 450,00 € entrichtet. Den Mietvertrag für diese Wohnung haben sowohl er als auch seine Ehefrau unterschrieben. Seit 01.03.2004 bewohnt er die Wohnung alleine, da er ab diesem Zeitpunkt von seiner Ehefrau dauernd getrennt lebt. Der Antragsteller ist seit längerem arbeitslos. Er bezog bis 09.03.2000 Arbeitslosengeld und bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe.
Am 17.09.2004 beantragte er bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Mit Bescheid vom 07.12.2004 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von monatlich 899,29 €. Hierbei wurden für die Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich 554,29 € berücksichtigt. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis: “ Ihre Grund-/Kaltmiete ist höher als der Betrag, der aufgrund ihrer persönlichen und örtlichen Verhältnisse angemessen ist. Die Miete ist nur so lange in voller Höhe als Bedarf zu berücksichtigen, als es ihnen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, deren Höhe durch einen Wohnungswechsel durch Vermietung bzw. Untervermietung oder auf andere Weise zu senken. Hierfür wird Ihnen eine Frist von längstens 6 Monaten eingeräumt. Spätestens nach Ablauf dieser Frist kann nur noch die angemessene Miete von monatlich 239,85 € berücksichtigt werden. Ihre Betriebs- und Nebenkosten, jedoch ohne Heizungskosten sind höher, als der Betrag, der aufgrund ihrer Wohnungsgröße angemessen ist. Für längstens 6 Monate zahle ich Ihnen monatlich 35,06 €. Spätestens nach Ablauf dieser Frist können nur noch die angemessenen Betriebs-/Nebenkosten gezahlt werden. Ihre Heizungskosten sind höher, als der Betrag, der aufgrund Ihrer Wohnungsgröße angemessen ist. Für längstens 6 Monate zahle ich Ihnen monatlich 69,29 €. Spätestens nach Ablauf der Frist können nur noch die angemessenen Heizungskosten in Höhe von 43,65 € gezahlt werden." Rechtsbehelfe gegen diesen Bescheid wurden nicht eingelegt.
Mit Bescheid vom 31.03.2005 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04.2005 bis 30.09.2005 und zwar in Höhe von 883,17 € vom 01.04.2005 bis 30.06.2005 und in Höhe von 647,38 € vom 01.07.2005 bis 30.09.2005. Hierbei wurden für die Zeit vom 01.04.2005 bis 30.06.2005 Kosten für...