Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung der Vollstreckungsaussetzung. Ermessensentscheidung. Abwägung. Arbeitslosengeld II. Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung der Vollstreckungsaussetzung nach § 199 Abs 2 SGG ist eine Ermessensentscheidung (Entgegen BSG vom 6.8.1999 - B 4 RA 25/98 B = SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Bei der Entscheidung sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen und die Belange des durch die Entscheidung Begünstigten gegen das öffentliche Interesse, eine offensichtliche Fehlentscheidung nicht zu vollstrecken, gegeneinander abzuwägen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels - hier der Beschwerde - nicht überschaubar, kommt es auf die Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung und Dringlichkeit sowie der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen späteren Rückgängigmachung des Ausspruchs an (vgl BSG vom 26.11.1991 - 1 RR 10/91 = USK 91155). Dazu gehört auch die Aussicht des Leistungsträgers, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die inzwischen gewährten Leistungen zurückzuerhalten.
Orientierungssatz
Zur Bestimmung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Wohnung nach § 22 SGB 2 sind die vom BVerwG zum Bundessozialhilferecht entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach sind bei der Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen für eine Unterkunft die örtlichen Verhältnisse zunächst insoweit maßgeblich, als auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln ist. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterkunftsbedarfs hat, muss sich die Angemessenheitsprüfung auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist. Besteht eine derartige Unterkunftsalternative nicht, ist also die vom Hilfebedürftigen bewohnte Unterkunft die in dem maßgeblichen räumlichen Umkreis und Bedarfszeitraum einzig verfügbare, sind die Aufwendungen für diese Wohnung angemessen und deshalb gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom Leistungsträger (zunächst) zu übernehmen (BVerwG vom 28.4.2005 - 5 C 15/04 = info also 2006, 33).
Tenor
Der Antrag vom 11.01.2006 auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts M: vom 15.12.2005 - Az. S 11 AS 3418/05 ER -wird abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens trägt der Antragsgegner
Tatbestand
Mit Beschluss vom 15.12.2005 hat das Sozialgericht Mannheim (SG) den Antragsgegner/ Beschwerdeführer verpflichtet, der Antragstellerin zu 1, die zusammen mit ihrer geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 2, seit 01.08.2003 in E. eine 61m2 große Zwei-Zimmer-Wohnung bewohnt, ab 01.12.2005 vorläufig bis zum 31.03.2006 als Bedarf für Unterkunft und Heizung 617,- € zu berücksichtigen. Zur Begründung hat das SG u.a. ausgeführt, die von den Antragstellern bewohnte Wohnung sei zwar von der Größe her angemessen, nicht aber in Bezug auf den Mietpreis (Kaltmiete monatlich 520,- €). Jedoch ergebe sich der Anspruch der Antragstellerin auf einen Betrag von monatlich 617,- € vorläufig noch aus § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Bis Ende Dezember 2005 sei es der Antragstellerin weder möglich noch zumutbar gewesen, ihre Mietaufwendungen, insbesondere durch einen Wohnungswechsel zu senken, weil sie keinen angemessenen Wohnraum gefunden habe, obwohl sie sich hierum bemüht habe. Da die Antragstellerin frühestens mit einer Frist von drei Monaten kündigen könne, müssten die tatsächlichen Kosten bis einschließlich 31.03.2005 geleistet werden.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner mit einem am 13.01.2006 beim SG eingegangenen Schriftsatz vom 11.01.2006 Beschwerde eingelegt und außerdem beantragt, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung einstweilen auszusetzen. Am 17.01.2006 hat der Antragsgegner dem SG mitgeteilt, dass für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 die Differenz zwischen der Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung und den bereits geleisteten Beiträgen angewiesen worden sei. Insoweit habe sich der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erledigt. Mit Beschluss vom 17.01.2006 hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Akten sind beim Landessozialgericht (LSG) am 24.01.2006 eingegangen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Antragsgegners/Beschwerdeführers, den Vollzug der Entscheidung des SG (für die Monate Februar und März 2006) einstweilen auszusetzen, ist zulässig, aber unbegründet.
Da die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 15.12.2005 keine aufschiebende Wirkung hat und eine die Vollstreckung aussetzende Entscheidung des SG nicht vorliegt (§ 175 SGG), kann der Vorsitzende des Gerichts, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, die V...