Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten. selbst genutztes Hausgrundstück. Schuldzinsen. Angemessenheitsmaßstab. Aufforderung zur Kostensenkung. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei selbst bewohnten Eigenheimen müssen Zinsen für anlässlich des Hauserwerbs eingegangene Darlehen nur in angemessenem Umfang übernommen werden.
2. Der Verwertungsschutz des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 hat keinen Einfluss darauf, ab welcher Höhe Schuldzinsen als Aufwendungen für Unterkunft angemessen sind.
3. Es unterliegt keinen Bedenken, wenn der Leistungsträger die Angemessenheit der Schuldzinsen nach der für eine Mietwohnung angemessenen Kaltmiete bestimmt und hierauf einen Zuschlag von 30 vH macht.
4. Wurde die Immobilie ohne ausreichendes Eigenkapital erworben und ist noch für lange Zeit mit sehr hohen Zinsverbindlichkeiten zu rechnen, schließt bei selbst genutzten Eigenheimen § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 die dort genannten Kostensenkungsmaßnahmen Wohnungswechsel oder Vermieten nicht von vornherein aus, denn der Leistungsträger braucht eine Überschreitung der Angemessenheitsgrenze nicht dauerhaft hinzunehmen.
5. Die Angemessenheit der Heizkosten richtet sich nach derjenigen für eine angemessen große Mietwohnung; dabei ist es jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu beanstanden, wenn beim Heizen mit elektrischer Energie pauschalierende Richtwerte zu Grunde gelegt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. März 2006 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird ihrem Teilanerkenntnis vom 25. Juli 2006 entsprechend vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin ab 23. März 2006 weitere Kosten der Heizung in Höhe von 6 € monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 27. März 2006 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig, sachlich aber nur insoweit begründet, als die Antragsgegnerin ihrem Teilanerkenntnis entsprechend vorläufig zu verpflichten war, der Antragstellerin ab 23. März 2006 weitere Kosten der Heizung in Höhe von 6 € monatlich zu gewähren.
Das Sozialgericht hat den am 23. März 2006 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, soweit über das Teilanerkenntnis hinausgehend, zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin kann im Wege der einstweiligen Anordnung nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet wird, ihr höhere Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Der Antragstellerin, die mit ihrem zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Ehemann in dem in ihrem Eigentum stehenden Haus mit nach ihren Angaben 104 qm Wohnfläche wohnt, ist zuletzt mit dem Gegenstand des Berufungsverfahrens L 13 AS 1623/06 gewordenen Bescheid vom 20. März 2006 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2006 wie zuvor ab 1. Januar 2006 Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 1.234,49 € bewilligt worden. Die Leistung setzt sich zusammen aus der Regelleistung für die beiden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 2 x 311 € = 622 €, den Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 521,49 € und dem befristeten Zuschlag für den bis 27. Oktober 2004 im Bezug von Arbeitslosengeld gestandenen Ehemann in Höhe von 91 €. Bei den Kosten für Unterkunft hat die Antragsgegnerin die Schuldzinsen der Antragstellerin nur in Höhe von 403 € statt 976,12 € sowie die Nebenkosten in Höhe von 66,89 € monatlich übernommen; zu den Heizkosten - das Haus wird mit elektrischer Energie beheizt - hat sie monatlich 51,60 € beigetragen und bewilligt.
Prozessuale Grundlage der im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Ansprüche ist § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über Existenz sichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, herbeizuführen ist, von einer- hier nicht glaubhaft gemachten- in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2...