Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Abrechnung von Untersuchungen außerhalb der im JVEG normierten Fälle. Vergütung einer vom Gericht angeordneten zusätzlichen Untersuchung bei Vorliegen einer Pauschalvereinbarung. besondere Aufwendungen. Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Erstattung der Umsatzsteuer. keine Erstattung einer vom Sachverständigen zur Abdeckung von anteiligen Gemeinkosten abgeführten Pauschale
Leitsatz (amtlich)
1. Der gerichtliche Sachverständige kann Untersuchungen außerhalb der im JVEG ausdrücklich normierten Fälle (§ 10 JVEG iVm Anlage 2 oder nach Abschnitt O der GOÄ) nicht nach GOÄ (juris: GOÄ 1982) und auch nicht nach DKG-NT abrechnen.
2. Wird vom Gericht eine zusätzliche Untersuchung in Auftrag gegeben, kann bei einer Pauschalvereinbarung der zusätzlich erforderliche Zeitaufwand nach Teil III Abs 2 der Vereinbarung vergütet werden.
3. Auch auf die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ist die Umsatzsteuer zu erstatten.
4. Eine Erstattung der vom Sachverständigen an seinen Dienstherrn bzw Arbeitgeber zur Abdeckung anteiliger Gemeinkosten abgeführten Pauschale kommt nicht in Betracht.
Tenor
Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 21.06.2022 wird auf 1.695,44 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Kostenerstattung für ein vom Antragsteller erstelltes Gutachten.
In dem beim Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängigen Berufungsverfahren L 7 R 3764/21 geht es um einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Der Antragsteller, der mit dem Antragsgegner eine Vereinbarung über die Vergütung als Sachverständiger in sozialgerichtlichen Verfahren geschlossen hat, wurde im März 2022 mit der Erstellung eines gastroenterologischen Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers beauftragt. Der Antragsteller wandte sich mit Schreiben vom 10.05.2022 an das Gericht und bat um Genehmigung einer Koloskopie. Er habe den Kläger bereits untersucht; hinsichtlich des Morbus Crohn und seiner Aktivität sei eine Koloskopie erforderlich, da die letzte Koloskopie zwei Jahre zurückliege und keine Histologieergebnisse vorlägen. Die Durchführung der Koloskopie wurde daraufhin genehmigt. Am 29.06.2022 ging das Gutachten des Antragstellers vom 21.06.2022 bei Gericht ein.
Mit Liquidation vom 27.06.2022 hat der Antragsteller für sein Gutachten einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.561,13 € in Rechnung gestellt (Pauschale nach M2: 990 €, besondere Leistungen 263,93 €, Verbrauchsmaterial/Medikamente 25,84 €, Schreibauslagen 19,50 €, Porto 15,00 € und Umsatzsteuer). Der Kostenbeamte hat lediglich 1.264,61 € vergütet (Pauschale nach M2: 990 €, besondere Leistungen 14,75 €, Schreibauslagen 19,50 €, sonstige Aufwendungen 25,84 €, Umsatzsteuer sowie antragsgemäß Porto). Zur Begründung hat er im Schreiben vom 30.06.2022 ausgeführt, die aufgeführten Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Nrn. 11, 687, 705, 5298a (für die Koloskopie) könnten nicht nach § 10 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) vergütet werden, da es sich weder um Labor-, Röntgen- noch um elektrophysiologische Untersuchungen handele. Diese ärztlichen Leistungen könnten allenfalls nach Zeitaufwand vergütet werden, jedoch sei hier mit der festgestellten Pauschale i.H.v. 990 € der Zeitaufwand bereits abgegolten, auch wenn die Untersuchung zuvor genehmigt worden sei.
Mit Nachtrag vom 29.06.2022 hat der Antragsteller zusätzlich eine Laborrechnung vorgelegt, die antragsgemäß entschädigt worden ist (134,65 € zzgl. 25,58 € Umsatzsteuer, Summe 160,23 €).
Mit weiterem Nachtrag vom 15.07.2022 sind für histologische Untersuchungen beim Kläger 244,50 € nach DKG-NT (Gebühren-Nr. 4800, 4815 + Porto) in Rechnung gestellt worden, deren Erstattung der Urkundsbeamte mit Schreiben vom 25.07.2022 abgelehnt hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 18.06.2020, L 10 KO 1328/20).
Mit Schreiben vom 19.08.2022 hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung der Vergütung beantragt und zunächst weiterhin die Übernahme der Kosten der genehmigten Koloskopie nach GOÄ i.H.v. 249,18 € zzgl. Umsatzsteuer begehrt. Nach Hinweis auf die fehlende Erstattungsfähigkeit der Untersuchungskosten nach GOÄ hat er zunächst eine Ergänzungsliquidation vorgelegt unter Forderung von 250 € für die Koloskopie zzgl. 47,50 € Umsatzsteuer ohne Nennung von GOÄ-Ziffern. Auf weiteren Hinweis hat der Antragsteller schließlich für die Untersuchung 2,5 Stunden à 90 € abgerechnet sowie darüber hinaus „10% v. Rechnung v. 27.06.2022 an Klinikum S“ (126,40 €) zzgl. Mehrwertsteuer gefordert.
II.
Nach der auf der Grundlage von § 14 JVEG getroffenen ...