Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Beschwerdeeinlegung durch Prozessbevollmächtigten nach dem Tod des Antragstellers. Fortgeltung der Prozessvollmacht. keine nachträgliche Prozesskostenhilfebewilligung bei Versterben des Antragsstellers
Leitsatz (amtlich)
Prozesskostenhilfe als Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege kann nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr bewilligt werden. Mit dem Tod des Antragstellers wird sein Prozesskostenhilfeantrag gegenstandslos.
Orientierungssatz
Eine vom anwaltlichen Bevollmächtigten nach dem Tod des Antragstellers eingelegte Beschwerde gegen eine ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung wirkt für und gegen einen (unbekannten) Rechtsnachfolger, da die Vollmacht zur Durchführung eines Verfahrens nicht mit dem Tod des früheren Antragstellers endet (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 86 ZPO) und eine Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf die Fortgeltung der Prozessvollmacht nicht eingetreten ist (§ 202 SGG iVm § 246 Abs 1 ZPO; vgl BSG vom 2.2.2012 - B 8 SO 15/10 R = BSGE 110, 93 = SozR 4-3500 § 19 Nr 3).
Tenor
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 29.08.2018 für Recht erkannt:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2018 (Ablehnung von Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil Beschwerdeausschlussgründe im Sinne des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht gegeben sind. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das von der in 2018 verstorbenen Antragstellerin vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) angebrachte und mittlerweile rechtskräftig abgeschlossene einstweilige Rechtsschutzverfahren S 16 SO 1855/18 ER scheidet aus.
1. Der Senat legt das Begehren dahingehend aus, dass die anwaltliche Bevollmächtigte der verstorbenen Antragstellerin “namens und in Vollmacht des noch unbekannten Rechtsnachfolgers„ sich mit der Beschwerde ausschließlich gegen die in dem angefochtenen Beschluss des SG vom 9. Juli 2018 verfügte Ablehnung von PKH wendet und die Bewilligung von PKH für das abgeschlossene einstweilige Rechtsschutzverfahren S 16 SO 1855/18 ER begehrt. Dabei wirkt die nach dem Tod der Antragstellerin eingelegte Beschwerde für und gegen den (unbekannten) Rechtsnachfolger, nachdem die Vollmacht zur Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht mit dem Tod der früheren Antragstellerin endete (§ 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 86 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) und eine Unterbrechung des Verfahrens im Hinblick auf die Fortgeltung der Prozessvollmacht nicht eingetreten ist (§ 202 SGG i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO; ferner Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 2. Februar 2012 - B 8 SO 15/10 R - BSGE 110, 93 - juris Rdnr. 11).
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil PKH als Form der höchstpersönlichen Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr bewilligt werden kann (Landessozialgericht ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. März 2012 - L 9 SO 516/11 B - juris Rdnr. 14 ff.; Beschluss vom 29. März 2017 - L 9 SO 53/17 B - juris Rdnrn. 6 ff.; Bayerisches LSG, Beschluss vom 8. April 2015 - L 3 SB 2/15 B PKH - juris Rdnr. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2012 - L 7 KA 55/12 B PKH - juris Rdnr. 3; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ≪VGH≫, Beschluss vom 17. September 2012 - 9 ZB 12.744 - juris Rdnr. 1; Oberverwaltungsgericht ≪OVG≫ Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2012 - 10 M 20.12 - juris Rdnr. 3; Sächsisches OVG, Beschluss vom 18. Januar 2001 - 5 BS 272/00 - juris Rdnrn. 4 ff.; Oberlandesgericht ≪OLG≫ Frankfurt, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 3 WF 72/10 - juris Rdnr. 7; OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 8 W 4/10 - juris Rdnr. 4; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. April 2016 - I 24 W 14/16 - juris Rdnr. 5; Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 8. Aufl. 2016, Rdnr. 91; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 119 Rdnr.15; Geimer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 114 Rdnr. 12; Reichling in Beck‚scher Online-Kommentar ZPO, Stand 1. Juli 2018, § 114 Rdnr. 26; Wache in Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 114 Rdnr. 41; a.A. z.B. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 17. Februar 2010 - L 9 B 28/09 SO PKH - juris Rdnr. 6; Sächsisches LSG, Beschluss vom 24. Oktober 2012 - L 3 AL 39/12 B ER - juris Rdnr. 13; Thüringer LSG, Beschluss vom 15. April 2014 - L 8 SO 1450/12 B - juris Rdnr. 8, wonach bei einer verzögerten Entscheidung die Bewilligung von PKH für die Zeit bis zum Ableben in Betracht komme). Mit dem Tod der Partei (bzw. des Beteiligten) wird ihr PKH-Antrag gegenstandslos. Eine Bewilligung von PKH darf nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr erfolgen. Es ist nicht Zweck der PKH, dem Rechtsanwalt, der die PKH begehre...