Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. sofortige Vollziehung. Entziehungsbescheid. Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit. Anfechtung
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit einer sofortigen Vollziehung einer Entscheidung über die Beendigung einer vertragsärztlichen Zulassung durch Verzicht des Vertragsarztes, wenn dieser nach Übertragung der Zulassung auf einen Praxisnachfolger gemäß SGB 5 § 103 Abs 4 die abgegebene Verzichtserklärung anfechtet.
2. Eine Verzichtserklärung ist nach den für die Anfechtung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen möglich.
3. Bei einem Verzicht ist zwischen der Wirksamkeit der Verzichtserklärung und dem Wirksamwerden des Verzichtes in dem Sinne, daß die Verzichtswirkungen eintreten (Vergleiche BSG vom 8.5.1996 - 6 RKa 16/95 = SozR 3-5407 Art 33 § 3a Nr 1).
Tatbestand
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner (Kläger des Hauptsacheverfahrens) gegen die vom Sozialgericht Karlsruhe (SG) angeordnete sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 28.02.1996.
Der geborene Antragsgegner wurde durch Beschluß des Zulassungsausschusses vom 24.06.1987 als Arzt für den Kassenarztsitz (jetzt: Vertragsarztsitz) K W zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Dieser Vertragsarztsitz liegt im Planungsbereich -Stadt, für den der Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen Zulassungsbeschränkungen für die Arztgruppe der Ärzte für Allgemeinmedizin beschlossen hat.
Mit Schreiben vom 25.04.1995 beantragte der Antragsgegner bei der Beigeladenen Nr. 1 die Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes zum 01.10.1995 und teilte unter Bezugnahme auf eine Besprechung vom 18.04.1995 mit, daß er die Absicht habe, seine Zulassung zurückzugeben, sofern die Anträge von Frau und ihm vom Januar 1993 auf Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis ungültig sein sollten. Als Nachfolgerin benannte er Frau, Ärztin für Allgemeinmedizin, die seit 1990 in seiner Praxis mitarbeitete, zunächst als Weiterbildungsassistentin, danach als Vertreterin. Die Vertretung beruhte darauf, daß der Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, eine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben.
Auf die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes im Ärzteblatt Baden-Württemberg durch die Beigeladene Nr. 1 meldete sich als einzige Bewerberin
Der Zulassungsausschuß verhandelte in seinen Sitzungen am 05.07.1995 und 09.08.1995. Da zu diesen Sitzungen ein Praxisübergabevertrag nicht vorlag, vertagte er eine Entscheidung.
Der Antragsgegner übersandte dem Zulassungsausschuß mit Telefax vom 27.09.1995 einen Entwurf eines Vertrages "zur Gestattung der Nutzung der Praxis durch Frau", der u.a. folgende Bestimmung enthielt:
"1. Dr. verzichtet auf seine vertragsärztliche Zulassung, damit Frau sich um den Vertragsarztsitz bewerben kann."
Der Zulassungsausschuß verhandelte über die Angelegenheit erneut in seiner Sitzung am 27.09.1995 und beschloß wiederum, die Angelegenheit auf die nächste Sitzung am 08.11.1995 zu vertagen, in der Hoffnung, daß dann ein Praxisübergabevertrag vorgelegt werden könne. Die Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses informierte den Antragsgegner nach Rücksprache mit den Mitgliedern des Zulassungsausschusses, daß diese der Auffassung seien, daß der von ihm vorgelegte Vertragsentwurf in seiner Gesamtheit nicht akzeptiert werden könne (Schreiben vom 03.11.1995). Mit Schriftsatz der Rechtsanwältin vom 07.11.1995 ließ der Antragsgegner u.a. darauf hinweisen, daß für ihn eine Lösung wichtig wäre, bei der er nach einer Wiedergenesung die Möglichkeit habe, seine berufliche Tätigkeit fortzuführen.
In der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 08.11.1995 machte der Antragsgegner geltend, er beabsichtige nach der Praxisübergabe an Frau weiterhin privatärztlich und arbeitsmedizinisch tätig zu sein, weshalb er auch im Besitz der Geräte der Praxis bleiben müsse. Er werde Frau etwa bei Problemen der Praxis-EDV unterstützen und auch Geräte reparieren. In die vertragsärztliche Tätigkeit werde er sich jedoch nicht einmischen. Die Frage eines Mitglieds des Zulassungsausschusses, ob er im Rahmen des Praxisausschreibeverfahrens auf seine Kassenzulassung verzichtet habe und ob er seine Zulassung zurückgeben werde, wenn Frau Walter die Zulassung erhalte, bejahte der Antragsgegner. Der Zulassungsausschuß beschloß erneut, die Angelegenheit zu vertagen und zur Vorlage eines Praxisübergabevertrages eine Frist bis 11.12.1995 zu setzen und die Angelegenheit in der Sitzung am 13.12.1995 nochmals zu beraten.
Unter dem 29.11.1995 schlossen der Antragsgegner und Frau Walter eine Vereinbarung, die in § 1 ("Präambel") folgende Regelungen enthält:
"Die Vertragschließenden haben sich auf eine Übernahme der seither von Herrn Dr. geführten Kassenarztpraxis auf Frau geeinigt.
Dr. war gezwungen, aus gesundheitlichen Gründen auf seine Zulassung als Kassenarzt zu verzichten.
Die Vertragschließenden haben sich darauf verständigt, die Praxis künftig in der Form der Praxisgemeinschaft zu führen, wobei Herr Dr. ausschlie...