Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Betriebsprüfung. fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Einzugsstelle. Ausschluß. Einrede der Verjährung
Orientierungssatz
1. Auf die Verjährungseinrede soll nur dann verzichtet werden, wenn die unrechtmäßige Beitragsentrichtung auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Bundesanstalt oder der Einzugsstelle beruht (vgl BSG vom 26.6.1986 - 7 RAr 121/84).
2. In bloßen, die fehlende Beitragspflicht nicht aufdeckenden Betriebsprüfungen liegt kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Einzugsstelle, welches die Einrede der Verjährung ausschließt.
Tatbestand
Die die Erstattung von Beiträgen (Arbeitgeberanteilen) begehrende Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung für die Zeit von Oktober 1982 bis November 1989.
Der 1949 geborene Dr. G. Sch. war seit 01. Oktober 1982 bei einer über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Vergütung einer von zwei Geschäftsführern der Klägerin. Er hielt einen Gesellschaftsanteil von 30 v.H. Die weiteren 70 v.H. entfielen auf den anderen Geschäftsführer Dr. W.. Für Sch. wurden von Anfang an Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich derjenigen zur Bundesanstalt für Arbeit (Beklagte) entrichtet. Die Krankenversicherung bestand bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK). Diese führte am 23. November 1993 eine Betriebsprüfung durch, aufgrund deren ermittelt wurde, Sch. sei nach den anerkannten Kriterien nicht versicherungspflichtig Beschäftigter, sondern selbständig tätiger Geschäftsführer. Auf einen entsprechenden Bescheid vom 26. Januar 1994 beantragte Sch. im Februar 1994 für sich und im März 1994 für die Klägerin Erstattung der Pflichtbeiträge. Auf ein Hinweisschreiben des Arbeitsamts Stuttgart (ArbA) vom 14. Juni 1994, die Beiträge bis Dezember 1989 seien verjährt, erwiderte Sch., bei Beginn der Tätigkeit habe die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) die Aussage gemacht, bei einem Gesellschaftsanteil von 30 v.H. sei grundsätzlich Beitragspflicht gegeben; die von der DAK jetzt getätigte Beanstandung hindere die Verjährung. Gegenüber Sch. erließ das ArbA den Bescheid vom 31. August 1994, durch welchen die Erstattung der Arbeitnehmeranteile von Dezember 1989 bis Dezember 1993 (DM 9.543,20) bewilligt, derjenigen für Oktober 1982 bis November 1989 (DM 10.271,35) jedoch abgelehnt wurde. Der weitere Bescheid vom 31. August 1994 gegenüber der Klägerin nannte die gleichen Summen; versehentlich wurde in beiden Bescheiden trotz Aussparung der Beträge Verjährung auch für Dezember 1989 geltend gemacht. Mit ihrem gemeinsamen Widerspruch führten die Klägerin und Sch. an, die Versicherungspflicht sei von der zuständigen Einzugsstelle in mehreren Betriebsprüfungen ausdrücklich bestätigt worden (in Fotokopie vorgelegte Niederschriften vom 03. Oktober 1985, 17. November 1987 und 11. Oktober 1989); die Gesellschafts- und Arbeitsverträge hätten den Prüfern jeweils zur Verfügung gestanden. Die Widerspruchsstelle des ArbA erließ gegenüber der Klägerin den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 17. November 1994. Richtig zu stellen sei, daß die Beiträge für Dezember 1989 noch nicht verjährt seien; die Beträge seien jedoch richtig berechnet. Nach der Rechtsprechung sei es nicht zu beanstanden, wenn die Bundesanstalt in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nur dann von der Erhebung der Einrede der Verjährung absehe, wenn die Beitragsentrichtung auf einem fehlerhaften Verhalten der Bundesanstalt oder der Einzugsstelle beruhe. Hier jedoch erscheine die Erhebung der Einrede nicht als unzulässige Rechtsausübung. Allein daß Unkenntnis über die fehlende Versicherungspflicht bestanden habe, sei gerade der typische Fall für Verjährung. Eine ausdrückliche versicherungsrechtliche Beurteilung sei nie erfolgt. Auch sei die Beitragspflicht nie durch einen Verwaltungsakt begründet worden. Die Einzugsstellen hätten anläßlich der Betriebsprüfungen keine bescheidmäßigen Feststellungen getroffen. Die Kontrollfunktion der Betriebsprüfungen gehe nicht so weit, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm Entlastung zu erteilen. Die Prüfer seien auch nicht zur Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht der einzelnen Bediensteten befugt. Der weitere Widerspruchsbescheid vom 17. November 1994 gegenüber Sch. erging mit dem gleichen Wortlaut.
Zur Begründung der zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage (zunächst S 12 Ar 4042/94) hat die Klägerin vorgetragen, entgegen der Auffassung des ArbA müsse sich die Beklagte vorwerfbares Verhalten der Einzugsstelle entgegenhalten lassen. In einem Telefongespräch vom 03. November 1982 habe Herr U. von der AOK Ludwigsburg mitgeteilt, bei einer Beteiligung von 30 v.H. sei grundsätzlich von Versicherungspflicht auszugehen. Bei dieser Auffassung sei es bei den folgenden Betriebsprüfungen, insbesondere bei derjenigen vom 17. November 1987 verblieben. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat eingewandt, die Einzugsstell...