Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtbeitragszeiten der Alterssicherung der Landwirte. keine Beitragszeiten iS des § 55 SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

In der Alterssicherung der Landwirte zurückgelegte Pflichtbeitragszeiten sind keine Beitragszeiten iS des § 55 SGB VI (Anschluss an BSG vom 16.6.2005 - B 10 LW 1/03 R = SozR 4-5868 § 13 Nr 1).

 

Orientierungssatz

Aus den die Landwirte privilegierenden Regelungen, nach denen Pflichtbeitragszeiten nach dem SGB 6 auch in der Alterssicherung der Landwirte berücksichtigt werden, kann nicht umgekehrt geschlossen werden, dass auch (systemfremde) Beitragszeiten nach dem ALG ohne gesetzliche Regelung in dem davon zu trennenden System der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden dürfen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 03.11.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Vormerkung von in der landwirtschaftlichen Alterskasse zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung streitig.

Die 1957 geborene Klägerin ist Mutter der 1986 und 1987 geborenen Töchter, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann erzogen hat. Im Versicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten sind ua Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung bis 30.06.2007 sowie vom 19.10.2007 bis 31.10.2007 von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Pflichtbeitragszeiten gespeichert. In der Zeit vom 01.07.2007 bis 30.11.2018 legte die Klägerin Pflichtbeitragszeiten in der landwirtschaftlichen Alterskasse zurück. Seit 01.06.2018 ist sie als Produktionshelferin versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 21.01.2019 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Kontenklärung. Mit Bescheid vom 26.02.2019 stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis zum 31.12.2012 verbindlich fest und merkte ua für die beiden Kinder Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vor.

Dagegen legte die Klägerin am 18.03.2019 Widerspruch ein und beantragte die Berücksichtigung der Versicherungszeiten bei der landwirtschaftlichen Alterskasse als rentenrechtliche Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie fügte eine Bescheinigung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau vom 08.02.2019 über 137 Monate Beitragszeiten als landwirtschaftliche Unternehmerin in der Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2018 bei.

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass der Bescheid vom 26.02.2019 keine Entscheidung über die von der Klägerin geltend gemachten Pflichtbeitragszeiten in der landwirtschaftlichen Alterskasse enthalte, sodass dieses Anliegen nicht im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens geprüft werden könne. Der Widerspruch werde als Antrag auf Vormerkung rentenversicherungsrechtlicher Tatbestände angesehen. Mit Bescheid vom 17.04.2019 lehnte es die Beklagte ab, die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2018 als Beitragszeit vorzumerken, weil keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden seien.

Dagegen legte die Klägerin am 14.05.2019 Widerspruch ein. Sie habe in der Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2018 die geforderten Pflichtbeiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse geleistet. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2019 zurück. Es existiere keine gesetzliche Grundlage im SGB VI für die Anerkennung von in ein anderes Versorgungssystem gezahlten Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Das SGB VI sehe auch keine Gleichstellung vor.

Dagegen hat die Klägerin am 22.11.2019 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die Auffassung der Beklagten sei rechtswidrig. Es möge sein, dass das Rentenrecht keine Koordinierungsregel zur Alterssicherung der Landwirte kenne. Landwirte könnten sich in der Rentenversicherung auf Antrag pflichtversichern (§ 4 Abs 2 SGB VI). Eine Beitragspflicht nach der Alterssicherung für Landwirte schließe eine Antragsversicherung nicht aus, habe aber auch keine Rückwirkung. Zeiten, in denen zu einer landwirtschaftlichen Alterskasse Pflichtbeiträge gezahlt worden seien, seien auf die Wartezeiten nach § 51 SGB VI nicht anrechenbar. Etwas Anderes gelte aber für mitarbeitende Familienangehörige. Die Alterssicherung der Landwirte sei im Wesentlichen eine Unternehmerversicherung zu Gunsten der selbstständigen Landwirte (§ 1 Abs 2 Landwirte-Alterssicherungsgesetz ≪ALG≫). Insofern bestehe keine Konkurrenzsituation zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Alterssicherung der Landwirte erfasse auch mitarbeitende Familienangehörige (§ 1 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 8 ALG). Soweit diese über die familiären Bindungen hinaus arbeiteten und in einem Beschäftigungsverhältnis stünden, seien sie zugleich in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, sie könnten sich aber in der Alterssicherung der Landwirte befreien lassen (§ 3 Abs 1 Nr 1 ALG). Das gleiche Recht ...

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