Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Versicherungspflicht als Selbständiger. selbständige Handelsvertreterin. Tätigkeit nur für einen Auftraggeber. Wesentlichkeitsmerkmal. Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte. soziale Schutzbedürftigkeit. Zusammenrechnung der Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung
Orientierungssatz
1. Bei der Auslegung des § 2 S 1 Nr 9 Buchst b SGB 6 müssen im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber den von dieser Vorschrift erfassten selbständig Tätigen sozialen, namentlich wirtschaftlichen Schutz durch die gesetzliche Rentenversicherung zukommen lassen will, vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
2. Bei der Anwendung des Wesentlichkeitsmerkmals in § 2 S 1 Nr 9 Buchst b SGB 6 sind - soweit dafür auf die Einkünfte des Betroffenen abgestellt wird - die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist (noch), ob die Klägerin vom 1. 1. 2004 bis 31. 12. 2004 als selbstständig tätige Handelsvertreterin nach § 2 Satz 1 Nr. 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtig war.
Die 1954 geborene Klägerin steht seit 1977 als Krankenschwester bei dem Universitätsklinikum U in einem Beschäftigungsverhältnis. Seit 1. 8. 1993 arbeitete sie als Krankenschwester für Stomapflege und Inkontinenz in einer Teilzeitbeschäftigung von 75 % (28,88 Stunden je Woche). Aus dieser Tätigkeit verdiente sie vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000 45.609,00 DM (vgl. Versicherungsverlauf vor Bl. 1 der Verwaltungsakten) und vom 1.1.2004 bis 31.12.2004 24.639,63 € (Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 2004 - Bl. 143 SG-Akte).
Unter dem 1. 1. 2000 schloss die Klägerin mit der Firma B GmbH, N, einen Handelsvertretervertrag ab (vgl. Bl. 17 SG-Akte). Darin wurde u. a. folgendes vereinbart:
§ 1 Gegenstand der Tätigkeit
1. Frau S wird als Handelsvertreterin im Nebenberuf mit der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften betraut. Sie wird hierbei Patienten, die mit Stoma versorgt werden, werben und betreuen sowie diese Patienten mit Produkten für die Stomaversorgung beliefern.
2. Frau S wird die Stomaprodukte ausschließlich von der B GmbH beziehen. Die Abrechnung erfolgt in der Weise, dass Frau S die auf die Patienten ausgestellten Rezepte und die von den Patienten unterschriebenen Lieferscheine einmal wöchentlich an die Firma B GmbH übermittelt.
§ 2 Art und Umfang der Tätigkeit
1. Frau S wird ihre Tätigkeit als Handelsvertreterin nebenberuflich ausüben.
2. Frau S ist in der zeitlichen Gestaltung ihrer Tätigkeit frei. Sie organisiert auch im übrigen ihre Tätigkeit nach eigenem Ermessen und unterliegt keinerlei Anwesenheitspflicht.
3. Frau S kann Einrichtungen und Unterlagen, die sich in den Geschäftsräumen der Firma B in N-U befinden, in Abstimmung mit der Geschäftsleitung nutzen.
§ 3 Vergütung
1. Frau S erhält für die gemäß § 1 des Vertrages an die Patienten abgegebenen Produkte eine Provision. Berechnungsgrundlage der Provision sind die Produktpreise, die von den Krankenkassen tatsächlich erstattet werden (ohne Umsatzsteuer). Die Provisionssätze betragen:
25 % für Produkte der Firmen D, H und C,
15 % für Produkte anderer Kernlieferanten...
§ 4 Beginn und Dauer des Vertragsverhältnisses
Das Vertragsverhältnis beginnt vorbehaltlich der Vorlage der Zustimmungserklärung des Arbeitgebers gem. § 2 Abs. 1 des Vertrages ab 1. 1. 2000, Es hat zunächst eine feste Laufzeit von 1 Jahren und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem 31.12.2000. Setzen die Parteien das Vertragsverhältnis über diesen Zeitraum hinaus einvernehmlich fort, so kann das Vertragsverhältnis sodann jederzeit mit einer Frist von einem Monat zum Quartalsende gekündigt werden.
Die Bruttoeinnahmen der Klägerin aus der Handelsvertretertätigkeit für die Firma B bzw. später K betrugen im Jahre 2000 27.188 DM und im Jahre 2004 26.334,87 €.
Anlässlich eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die Beklagte mit Bescheid vom 14. 8. 2001 fest, dass die Klägerin die Tätigkeit als Handelsvertreterin für den Vertragspartner B GmbH selbstständig ausübe. Eine abhängige Beschäftigung liege nicht vor (Bl. 6 Verwaltungsakte). Die Klägerin könne allerdings als selbstständig Tätige der Rentenversicherungspflicht Kraft Gesetzes unterliegen. Diesbezüglich würden noch Ermittlungen erfolgen. Mit Bescheid vom 21. 2. 2002 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab 1. 1. 2000 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig ist. Ab 1. 1. 2000 seien deshalb 437,37 DM monatlich an Beiträgen zu entrichten.
Auf den Widerspruch der Klägerin befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 19. 7. 2002 für den Zeitraum ...