Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus. keine zeitliche Begrenzung auf eine bestimmte Dauer. Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung. Erforderlichkeit des Aufenthaltes
Leitsatz (amtlich)
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 36a SGB II ist nicht von vorneherein auf eine bestimmte Dauer begrenzt. Dem Träger am Ort des Frauenhauses sind daher grundsätzlich die Kosten für die (gesamte) Zeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu erstatten.
Orientierungssatz
Allerdings ist im Rahmen des § 36a SGB 2 auch die Erforderlichkeit des Aufenthaltes im Frauenhaus zu prüfen. Dies ergibt sich daraus, dass die Leistungen, für die Kostenerstattung verlangt wird, nicht nur in eigener örtlicher Zuständigkeit, sondern auch im Übrigen rechtmäßig erbracht worden sein müssen.
Normenkette
SGB II §§ 36a, 1, 3 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 16a Nr. 3, § 17 Abs. 1-2; BSHG § 107; SGB I § 30 Abs. 3 S. 2; SGB X §§ 45, 48, 50, 102; SGG § 54 Abs. 5, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 1-2; GKG § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialrechts Heilbronn vom 11. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten im Berufungsverfahren.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 31.128,24 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten in Höhe von 31.128,24 Euro, die während eines Aufenthaltes von N. und deren drei minderjährigen Kindern in einem Frauenhaus im Zeitraum vom 01.02.2017 bis 06.07.2017 entstanden sind.
Die 1990 geborene N. sowie deren 2011, 2013 und 2015 geborene Kinder hielten sich zunächst ab dem 27.05.2016 in einem Frauenhaus im Zuständigkeitsbereich des Beklagten auf, bevor sie über dieses Frauenhaus in das Frauenhaus „Frauen helfen Frauen e.V.“ in L. vermittelt wurden. Dort hielten sie sich insgesamt vom 11.07.2016 bis 06.07.2017 auf.
N. ist ungarische Staatsbürgerin und 2011 im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach eigenen Angaben hat sie sich im Anschluss ununterbrochen in Deutschland aufgehalten. Am 15.02.2016 trennte sie sich von ihrem Ehemann und verblieb zunächst in der Wohnung in G., Landkreis B.. Aufgrund der fortdauernden Bedrohungslage durch den Ehemann wurden N. und die drei Kinder am 27.05.2016 im Frauenhaus in D., Landkreis B., aufgenommen. Nachdem die Unterbringung dort für nicht ausreichend sicher erachtet wurde, wurden N. und die Kinder am 11.07.2016 im Frauenhaus „Frauen helfen Frauen e.V.“ in L. (im Folgenden Frauenhaus L.) aufgenommen. Mit Bescheid vom 15.07.2016 bewilligte der Kläger N. und ihren Kindern ab dem 11.07.2016 bis 31.10.2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bestehend aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Kosten der Unterkunft und Heizung sowie den täglichen Betreuungskosten für das Frauenhaus. Diese wurden direkt an das Frauenhaus überwiesen. Mit Schreiben vom selben Tag informierte der Kläger den Beklagten über die Leistungsgewährung und bat im Anerkennung der Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II.
Hierauf teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass man grundsätzlich zur Kostenerstattung bereit sei. Nach Auszug aus dem Frauenhaus bitte man um Übersendung weiterer Unterlagen.
Der Kläger gewährte N. und ihren Kindern im Anschluss erneut Leistungen nach dem SGB II; zunächst für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 (Bescheid vom 13.10.2016), dann auch für die Zeit vom 01.02.2017 bis 30.04.2017 (Bescheid vom 25.01.2017) und schließlich vom 01.05.2017 bis 31.07.2017 (Bescheid vom 26.04.2017) und teilte dies dem Beklagten jeweils schriftlich mit.
Ein zwischenzeitlich für Anfang 2017 vorgesehener Auszug - hier hatte N. bereits beim Kläger die Übernahme der Unterkunfts- und Kautionskosten - beantragt, wurde ausweislich einer Stellungnahme des Frauenhauses vom 24.01.2017 nicht verwirklicht, weil der Ehemann der N. mehrmals versucht habe, über Bekannte die Telefonnummer der N. zu erhalten, um den Aufenthaltsort der N. zu erfahren und sie erneut unter Druck zu setzen. N. und ihre Kinder seien daher auf die Unterbringung im Frauenhaus weiter angewiesen und könnten nur dort gewaltfrei leben.
In der Begründung für die Notwendigkeit des weiteren Aufenthaltes über drei Monate hinaus der N. und ihrer Kinder vom 25.01.2017 führte das Frauenhaus aus, dass weiterhin die Situation vorliege, die eine weitere Beratung und Betreuung durch das Personal des Frauenhauses notwendig mache. Der weitere Aufenthalt stehe nicht in Zusammenhang mit der Wohnungsnotsituation, sondern liege daran, dass sich die Auszugspläne aufgrund der erneuten Bedrohungslage zerschlagen hätten. N. sei vor den erneuten Drohungen durch den Ehemann sehr aktiv und engagiert bei der Wohnungssuche gewesen. Sobald es die Bedrohungslage wieder hergebe, solle N. wieder auf Wohnungssuche gehen. Im Moment benötige sie aber für sich und die Kinder weiterhin den geschü...