Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Genehmigung zur Durchführung von künstlichen Befruchtungen. kein Schutz vor hinzutretender Konkurrenz. Erweiterung des Kernbereichs ärztlicher Tätigkeit. Gewähr für die bedarfsgerechte Durchführung. Erfordernis eines ungedeckten Versorgungbedarfs. Patientenschutz
Leitsatz (amtlich)
1. § 121a SGB 5 gewährt einem Genehmigungsinhaber keinen Vorrang und damit keinen Schutz vor hinzutretender Konkurrenz.
2. Die Genehmigung nach § 121a SGB 5 betrifft nur die Erweiterung des durch die Facharztqualifikation und die bereits erfolgte Zulassung eröffneten Kernbereichs ärztlicher Tätigkeit, nicht diesen Kern selbst und den ihm zugrunde liegenden "Basis-Status".
3. Mit der Formulierung "Gewähr für die bedarfsgerechte Durchführung" macht der Gesetzgeber die Genehmigung nicht davon abhängig, dass ein von den bereits praktizierenden Genehmigungsinhabern nicht gedeckter Versorgungsbedarf besteht. Der Genehmigungspflicht liegt ausschließlich der Gedanke des Patientenschutzes zugrunde.
4. Jedenfalls nach den zum 1.1.2004 in Kraft getretenen Änderungen des § 27a SGB 5 kann schließlich auch im Übrigen nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Erteilung weiterer Genehmigungen nach § 121a SGB 5 die Gefahr birgt, dass durch nicht bedarfsgerechte Erbringung genehmigungspflichtiger Leistungen rechtlich geschützte Interessen von Genehmigungsinhabern berührt werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen 2-7, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen zu 1 erteilten Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der Kläger ist als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in K. zugelassen. Er verfügt über eine Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gemäß § 121a SGB V und führt entsprechende Behandlungen der assistierten Reproduktion unter der Bezeichnung "K. IVF Programm" durch, wobei diese Maßnahmen nach seinen eigenen Angaben ca. 90 % seines Praxisumsatzes ausmachen.
Die Beigeladene zu 1 ist eine GmbH, deren Alleingesellschafterin das Klinikum M. gGmbH ist. Sie betreibt ein MVZ in R. und ein MVZ in B.-B., in denen ausschließlich angestellte Ärzte tätig sind.
Das MVZ R. der Beigeladenen zu 1 (MVZ R.) war aufgrund des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 24.03.2010 (Bescheid vom 15.06.2010) zur vertragsärztlichen Tätigkeit in den Fachgebieten Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Anästhesiologie zunächst mit Vertragsarztsitz in R., K. 60 mit Wirkung ab 01.04.2010 zugelassen worden.
Am 19.08.2010 beantragte die Beigeladene zu 1 für das MVZ R. - im Kreiskrankenhaus R. -, E. 39 bei der Beklagten die Erteilung einer Genehmigung nach § 121a Abs. 2 SGB V.
Die Verlegung der Betriebsstätte nach R., E. 39 wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22.09.2010 (Bescheid vom 13.12.2010) mit Wirkung zum 01.10.2010 genehmigt. Mit weiterem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29.9.2010/ Bescheid vom 11.1.2011 wurde auch die Anstellung des Teamleiters für Maßnahmen der assistierten Reproduktion Prof. Dr. K., Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, im Umfang von 42 Stunden pro Woche genehmigt.
Mit Vorstandsbeschluss vom 26.11.2010 erteilte die Beklagte die für das MVZ R., E. 39 beantragte Genehmigung nach § 121a Abs. 2 SGB V (Bescheid vom 30.11.2010).
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.12.2010/Bescheid vom 16.3.2011 genehmigte dieser die Reduzierung der Wochenarbeitszeit u.a. des Teamleiters Prof. Dr. K. auf 10 bis 20 Stunden pro Woche.
Der Kläger legte gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte Genehmigung nach § 121a Abs. 2 SGB V am 07.12.2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Kläger sei durch die der Beigeladenen zu 1 erteilte Genehmigung nicht in eigenen Rechten betroffen. Da die Regelung des § 121a SGB V keine drittschützende Wirkung entfalte, bestehe keine Drittanfechtungsbefugnis. Bloße finanzielle Interessen lösten keine drittschützende Wirkung aus, weil das Grundrecht auf Berufsfreiheit keinen Schutz vor Konkurrenz vermittle. Drittschutz lasse sich auch nicht unmittelbar aus der Vorschrift des § 121a SGB V ableiten, da der Kläger hierdurch keinen vertragsärztlichen Basisstatus erreiche. Ein solcher Basisstatus werde allein durch die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung begründet, weil hierdurch erstmalig der Zugang zur Behandlung gesetzlich Versicherter...