Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. etwaiger Mangel der Prozessvollmacht eines als Bevollmächtigter auftretenden Rechtsanwalts. ausnahmsweise Prüfung von Amts wegen: Rüge der Beteiligten. begründete Zweifel an Wirksamkeit. Vorlage einer Vollmachtskopie
Leitsatz (amtlich)
Der Mangel der Vollmacht ist nach § 73 Abs 6 S 4 SGG nur auf Rüge oder begründeten Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht zu beachten. Die Vorlage einer Vollmachtskopie ist ausreichend.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 6. August 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Verletztenrente streitig.
Die Beklagte bewilligte dem 1973 geborenen Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.06.2002 mit Bescheid vom 11.11.2008 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert ab 30.11.2007. Hiergegen legte Rechtsanwalt S. am 11.12.2008 für den Kläger unter Vorlage einer Kopie der vom Kläger am 11.12.2008 unterschriebenen und sich auf alle Instanzen erstreckenden Vollmacht Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2010 als unbegründet zurück.
Hiergegen erhob Rechtsanwalt S. am 10.03.2010 “namens und in Vollmacht„ des Klägers Klage beim Sozialgericht R.. Das Sozialgericht forderte ihn zunächst unter dem 10.03.2010 und erneut unter dem 21.06.2010 mit Fristsetzung zum 24.07.2010 zur Vorlage der Originalvollmacht sowie Abgabe der Klagebegründung auf und wies darauf hin, dass der Mangel der angeforderten Vollmacht die Unzulässigkeit der Klage begründe und bei erfolglosem Fristablauf beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Nach fruchtlosem Fristablauf wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2010 ab. Es führte zur Begründung aus, aus § 73 Abs. 6 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen habe, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftrete, folge nicht zugleich eine entsprechende Einschränkung des Handlungsspielraums des Gerichts und seines Berücksichtigungsrechts. Dies werde durch § 73 Abs. 6 Satz 3 SGG, wonach der Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden könne, ohne dass diese Norm diese Geltendmachung auf den Prozessgegner beschränke, bestätigt. Die Sozialgerichte seien zwar nicht verpflichtet, aber grundsätzlich weiterhin berechtigt, eine durch einen Rechtsanwalt erhobene Klage als unzulässig abzuweisen, wenn dieser seine Bevollmächtigung trotz Fristsetzung und Hinweis auf die Folgen nicht durch die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachweise. Dies gelte umso mehr, da bislang keine substantiierte Begründung für das Klagebegehren vorgelegt worden sei.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat Rechtsanwalt S. für den Kläger am 18.08.2010 unter Vorlage der Originalvollmacht Berufung eingelegt und diese unter Vorlage von Arztberichten von Dr. H., Dr. R. und Dr. L. begründet. Er machte eine sich verschlimmernde Schmerzhaftigkeit nach unfallbedingter Arthrose des linken Sprunggelenks geltend.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts R. vom 6. August 2010 aufzuheben und den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht R. zurück zu verweisen, hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2009 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 30. November 2007 Rente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit als 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht R. begründet.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht eine angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Vorliegend hat das Sozialgericht die Klage zu Unrecht, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, als unzulässig abgewiesen. Denn dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, sein zur Prozessführung bevollmächtigter Rechtsanwalt habe seine Bevollmächtigung nicht hinreichend nachgewiesen.
Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG können sich die Beteiligten unter anderem durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nach § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG nachgereicht werden, wofür das Ge...