Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme eines Rollstuhls bei pflegebedürftiger Heimbewohnerin
Orientierungssatz
1. Dem Leistungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB 5 steht nicht entgegen, daß Rollstühle auch Pflegehilfsmittel sein können, die ein Pflegeheim im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung für die Heimbewohner vorzuhalten hat (vgl ua LSG Stuttgart vom 3.9.1999 - L 4 KR 2193/99).
2. Ein Hilfsmittel kann nicht mit der Begründung dem Risikobereich der sozialen Pflegeversicherung zugeordnet werden, daß es neben anderen Zwecken auch der Pflegeerleichterung dient.
3. Ein Hilfsmittel ist allerdings in den Fällen dem Leistungsbereich der sozialen Pflegeversicherung zuzuordnen, in denen es sich um ein "reines Pflegehilfsmittel" handelt, es also allein der Erleichterung der Pflege durch die Pflegeperson dient.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Klägerin, die im Bürgerheim R (B) vollstationär gepflegt wird, mit einem Rollstuhl mit Therapietisch als Hilfsmittel zu versorgen hat.
Die am 1911 geborene Klägerin ist bei der Beklagten als Rentnerin pflichtversichert. Sie bezieht Leistungen nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB XI), wobei sie zunächst der Pflegestufe II zugehört hat.
Unter dem 11. September 1997 verordnete der Chefarzt des S K Z im W Dr. H ihr einen Rollstuhl mit Therapietisch wegen apoplektischen Insults mit Hemiparese rechts. Diese Verordnung und die Kostenvoranschläge des Sanitätshauses G vom 26. September 1997, worin die Kosten für einen Standard-Faltrollstuhl mit Zubehör auf 1.224,94 DM und für den Therapietisch auf 293,88 DM veranschlagt werden, gingen am 30. September 1997 bei der Beklagten ein. Die Beklagte zog die vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) über das Maß der Hilfebedürftigkeit der Klägerin erstatteten Gutachten des Internisten Dr. L vom 01. August und 04. September 1997 bei. Danach sind seit 2. August 1997 die Voraussetzungen der Pflegestufe III erfüllt, weil die Ernährung der Klägerin nicht mehr über eine Ernährungssonde erfolgt, wodurch sich deren Hilfebedarf im Bereich der Ernährung wesentlich erhöht habe. Der Gutachter führte weiter aus, die Klägerin leide unter einer Hemiparese links nach Apoplex, Stuhl- und Harninkontinenz sowie einem hirnorganischem Psychosyndrom. Sie sei infolge des Apoplexes zu Zeit und Ort desorientiert und in der Bewußtseinslage schläfrig. Sie sei bettlägerig und benötige im Bereich der Mobilität beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Auskleiden fremder Hilfe. Sie könne nicht gehen, stehen, Treppen steigen und die Wohnung weder verlassen noch wieder aufsuchen. Empfehlungen an die Pflegekasse für Maßnahmen zur Rehabilitation oder zur Verbesserung der Versorgung mit Pflegehilfsmitteln hielt der Gutachter nicht für erforderlich.
Durch Bescheid vom 02. Oktober 1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Versorgung mit einem Rollstuhl nebst Therapietisch ab. Ein Rollstuhl gehöre zur notwendigen Ausstattung einer stationären Pflegeeinrichtung und solle von dieser zur Verfügung gestellt werden. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der bei der Beklagten eingerichtete Widerspruchsausschuß mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1998 als unbegründet zurück. Bei dem verordneten Rollstuhl handele es sich um ein Pflegehilfsmittel, weil die Klägerin sich ohne fremde Hilfe nicht bewegen könne und ihr durch die Desorientierung eine selbständige, aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nicht möglich sei. Pflegehilfsmittel seien entsprechend den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB XI von den Pflegekassen nur im Rahmen der häuslichen Pflege zu übernehmen. Bei stationärer Pflege gehörten Pflegehilfsmittel zur leistungsfähigen und wirtschaftlichen Versorgung durch das Pflegeheim.
Wegen des Widerspruchsbescheids, der zur Zustellung an ihre Betreuerin am 21. Januar 1998 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, erhob der Leiter des Pflegeheims R M, der später die Vollmacht der Betreuerin vom 8. Mai 1998 vorlegte, am 26. Februar 1998 beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin könne seit Juli 1997 nicht mehr alleine gehen oder stehen. Sie benötige einen Rollstuhl, um ihre schwere Erkrankung auszugleichen und am sozialen Leben innerhalb und außerhalb des Pflegeheims teilnehmen zu können. Der Rollstuhl müsse an ihre Bedürfnisse und medizinischen Anforderungen angepaßt werden. Seit der letzten Begutachtung durch den MDK habe sich aber ihr geistiger Zustand erheblich gebessert. Sie benutze den Rollstuhl deshalb täglich in der Zeit von 8.00 Uhr bis 19.00 Uhr z.B. zu täglichen Ausfahrten in die Parkanlage, Besuchen der Cafeteria zum gewohnten Kaffeestammtisch, täglichen eigenständigen Kontakten zu Bewohnern, zur Teilnahme an Vorlesekreis, Gruppenspielen, Singstunden, der Gymnastikgruppe, aber auch therapeutischen Maßnahmen wie Krankengymnastik, Training im Rollstuhl sowie Wiedererlernen von Gehen und Stehen. Auch der Therapietisch sei notwendi...