Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. Bandscheibenerkrankung
Orientierungssatz
Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Müllwerkers als Berufskrankheit gem. BKVO Anl 1 Nr 2108.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger an den Folgen einer Berufskrankheit (BK) leidet und ihm deswegen eine Verletztenrente zusteht.
Der 1942 geborene Kläger war von Oktober 1970 bis 11.05.1992 bei dem Müllabfuhrunternehmen L W GmbH in E als Müllwerker beschäftigt. Seine Arbeit bestand darin, die Entleerung der Mülleimer in das Müllfahrzeug durchzuführen. Dabei hatte er von 1970 bis 1983 arbeitstäglich im Schnitt 550 Eimer mit einem Gewicht von je 55 kg um etwa 40 cm anzuheben (umgerechnet 50 kg anzuhebende Last je Arbeitsminute). Ab 1983 ermäßigte sich das Eimergewicht auf 42 kg und die Eimer waren noch um ca. 10 cm hochzuheben. Wegen eines Lendenwirbelsäulensyndroms war der Kläger seit 01.03.1991 arbeitsunfähig erkrankt. Er hat seine Tätigkeit als Müllwerker nicht mehr aufgenommen. Seit Januar 1996 bezieht er Versichertenrente.
Im Mai 1992 wies die Innungskrankenkasse (IKK) H wegen eines beim Kläger bestehenden Lendenwirbelsäulen(LWS-)Syndroms darauf hin, daß beim Kläger der Verdacht einer BK bestehe und erstattete gleichzeitig eine Anzeige gemäß § 1503 Reichsversicherungsordnung (RVO), der verschiedene medizinische Unterlagen (Reha-Entlassungsbericht, Gutachten des MDK) beigefügt waren. Die Beklagte zog Auskünfte von Nervenarzt S, H, und Dr. S. F, Arzt für Allgemeinmedizin in E vom 21.08. bzw. 02.09.1992 bei, von denen der letztere zahlreiche medizinische Unterlagen beifügte. Außerdem veranlaßte sie Anzeigen über eine BK durch den Arbeitgeber des Klägers (vom 25.08.1992) und durch Dr. F (vom 02.09.1992), der noch weitere medizinischen Unterlagen vorlegte, und holte von der IKK H einen Auszug aus der Mitglieder- und Leistungskartei ein. Ferner zog die Beklagte die Akten des Versorgungsamts H und Röntgenaufnahmen bei. Dann beauftragte sie ihren Technischen Aufsichtsbeamten (TAB), Ermittlungen über die berufsbedingten Belastungen des Klägers durchzuführen. Dazu erklärte der TAB in seinem Bericht vom 13.03.1995, es sei davon auszugehen, daß der Kläger zwei bis zweieinhalb Stunden pro Arbeitsschicht gefährdende Tätigkeiten im Sinne einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) ausgeführt habe.
Anschließend erstattete Prof. Dr. R, Abteilungsleiter an der O U H, zusammen mit Dr. W am 23.06.1995 ein Gutachten. Dort war zuvor am 13.05.1991 beim Kläger eine Bandscheibenprotrusion im Bereich des Wirbelsäulenabschnittes L4/5 operativ beseitigt worden. Prof. Dr. R führte in seinem Gutachten aus, eine BK nach Nr. 2108 könne beim Kläger nicht ausgeschlossen werden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit seien erfüllt. Es liege auch eine objektivierte Bandscheibenschädigung bei L4/5 vor. Die Wahrscheinlichkeit einer BK bestehe jedoch nicht, weil die Bandscheibenproblematik erst nach der Verringerung der Belastung aufgetreten sei und beim Kläger zudem eine skoliotische Fehlhaltung der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) mit einer lumbosacralen Übergangsstörung bestehe. Auch seien die osteochondrotischen, spondylarthrotischen und spondylotischen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) bei C5/6 und insbesondere C6/7 stärker ausgeprägt. HWS-belastende Tätigkeiten seien jedoch nicht ausgeführt worden. Nachdem der Gewerbearzt Dr. T in einer Stellungnahme vom 12.10.1995 dieser Beurteilung zugestimmt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.10.1995 Leistungen wegen der Beschwerden an der Wirbelsäule ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.02.1996).
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 06.03.1996 Klage beim Sozialgericht (SG) Mannheim mit der Begründung, er leide bereits seit 1983 unter WS-Beschwerden, die jedoch seit der Einstellung seiner Erwerbstätigkeit abgenommen hätten. Es treffe daher nicht zu, daß die Bandscheibenbeschwerden erst nach einer Verringerung der Belastung aufgetreten seien. Insoweit werde auf den Arztbrief des Orthopäden Dr. R, E, vom 12.09.1983 an den Hausarzt des Klägers verwiesen. Deshalb bestünden keine Zweifel an der arbeitsbedingten Ursache seiner WS-Erkrankung. Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG holte zunächst von Prof. Dr. R eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 14.11.1996 ein und beauftragte dann Dr. S, Orthopäde in H, mit der Erstattung eines Gutachtens; Dr. S erstattete das Gutachten am 09.06.1997 (nebst Ergänzung vom 13.10.1997). Während Prof. Dr. R eine wesentliche Mitverursachung der beruflichen Tätigkeit am Bandscheibenbefund des Klägers weiterhin verneinte, nahm Dr. S eine berufsbedingte Schädigung der LWS an, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen und ein entsprechender medizinischer Befund vorlägen un...