Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung. Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige durch die Krankenkassen. Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger. keine Anwendbarkeit des § 111 SGB 10. keine Ausschlussfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Im gesetzlichen Auftragsverhältnis nach § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V i.V.m. §§ 93 SGB X findet § 111 SGB X keine Anwendung. Die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X greift nicht zu Lasten der erstattungsberechtigten gesetzlichen Krankenkassen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.11.2013; Aktenzeichen B 1 KR 56/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.728,34 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen verlangen kann, die ihr durch die Krankenbehandlung des nicht krankenversicherten Sozialhilfeempfängers P. B. (B) in den Zeiträumen vom 5.1.2004 bis 20.12.2004 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 3.541,48 €) und vom 31.1.2005 bis 26.8.2005 (geltend gemachte Aufwendungen in Höhe von 2.186,86 €), in Höhe von insgesamt 5.728,34 € entstanden sind.

Die Klägerin übernahm im vorliegend streitigen Zeitraum vom 1.1.2004 bis 31.8.2005 die Krankenbehandlung für nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger und Empfänger laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Baden-Württemberg. Einzelheiten zur Umsetzung der Leistungserbringung nach § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V, insbesondere für das Meldeverfahren, die Sicherstellung der ärztlichen Inanspruchnahme, die Verwaltungskostenerstattung, die Abschlagszahlung und das Abrechnungsverfahren wurden in einer Rahmenvereinbarung vom 14.11.2003 geregelt, geschlossen zwischen den Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbänden und den Trägern der Sozialhilfe in Baden-Württemberg (Bl. 40 ff. der SG-Akte). Die Abrechnung und Erstattung der Leistungsaufwendungen wird unter Ziffer X geregelt: Die Krankenkassen nehmen danach vierteljährliche Abrechnungen vor, welche jeweils getrennt nach Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII und Leistungen nach dem AsylbLG die dort näher aufgeführten Angaben enthalten müssen. Eine Regelung bezüglich einer Ausschlussfrist oder Verjährung von Ansprüchen enthält die Rahmenvereinbarung nicht.

Die Klägerin rechnete die Aufwendungen für die Arznei- und Hilfsmittel über ein IT-Verfahren quartalsweise ab. Im Jahr 2004 wurden bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm aufgrund eines Programmfehlers lediglich 12 % des tatsächlichen Aufwendungsvolumens für die Arznei- und Hilfsmittel in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 8.9.2006 (Bl. 9 SG-Akte) teilte die Klägerin dem Städtetag Baden-Württemberg mit, dass eine Nachberechnung bei den Leistungsausgaben für betreute Sozialhilfeempfänger nach § 264 SGB V erforderlich sei. Es werde insgesamt zu Nachforderungen in Höhe von ca. 18 Millionen € kommen. Bei der Übernahme der Verordnungsdaten in das Abrechnungsprogramm sei es aufgrund eines Programmfehlers ab dem Jahr 2004 zu einer In-Rechnung-Stellung von lediglich 12 % des tatsächlichen Arzneimittelvolumens gekommen. Dieser Fehler sei zwischenzeitlich behoben, so dass eine vollständige Rechnungsstellung mit der nächsten Quartalsabrechnung (drittes Quartal 2006) veranlasst werden könne. Die Berechnung und Rechnungsstellung der Leistungsausgaben für die betreuten Sozialhilfeempfänger würden sich leider häufig nur mit zeitlicher Verzögerung abschließen lassen. Außerdem seien als Abschlagszahlung für die budgetierten Leistungen dem Sozialhilfeträger pro Haushaltsvorstand für das erste Quartal 2004 93,00 €, für die Quartale 2 bis 4 jeweils 90,00 € in Rechnung gestellt worden. Nach der vorliegenden Endabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg hätte die Klägerin jedoch je Sozialhilfeempfänger im Jahr 2004 insgesamt eine durchschnittliche Pauschale in Höhe von 403,58 € entrichtet. Auch diesen Differenzbetrag würde sie in einer gesonderten Rechnung für jedes Quartal genau auflisten und nachberechnen. Die Zahlen für die in Anspruch genommenen Einzelleistungen für das Jahr 2004 und das erste Quartal 2005 würden nunmehr vorliegen und mit der Abrechnung für das zweite Quartal 2006 in Rechnung gestellt. Die Berichtigungen für die Jahre 2005 und 2006 würde sie vornehmen, sobald die entsprechenden Zahlen vorlägen.

Der Städtetag Baden-Württemberg verwies mit Schreiben vom 18.10.2006 (Bl. 11 SG-Akte) darauf, am 8.9.2006 erstmals die endgültigen Zahlen für den budgetierten wie auch den nicht budgetierten Teil der Gesamtabrechnung für das Jahr 2004 sowie der daraus resultierenden Nachberechnungen erhalten zu haben. Nachforderungen in dieser Höhe für bereits abgeschlossene Haushaltsjahre würden die Kommunen vor erhebliche haushaltsrechtliche und finanzielle Probleme stellen und bedürften einer intensiven rechtlichen Ü...

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