Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. arbeitstechnische Voraussetzungen. bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule
Orientierungssatz
Da weder die BKV selbst noch das BMA-Merkblatt zur Berufskrankheit Nr 2109 Angaben zur Häufigkeit oder zum Zeitanteil der Tragevorgänge je Arbeitsschicht enthält und für die Aufstellung solcher Grenz- oder Richtwerte nach den Erkenntnissen des Senats auch keine epidemiologischen Studien bekannt sind, in denen eine statistisch abgesicherte Korrelation zwischen der Häufigkeit der Hebe- und Tragevorgänge auf der Schulter und einer Erkrankung der Halswirbelsäule aufgestellt wurden, hält es der Senat deshalb für sachgerecht, die im Merkblatt zur Berufskrankheit Nr 2108 angegebene Anzahl von 40 Hüben je Arbeitsschicht auch für Belastungen einer Berufskrankheit im Sinne der Nr 2109 zugrundezulegen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung von Berufskrankheiten im Sinne der Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) und Nr. 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie um die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1933 geborene Kläger erlernte ab 1948 den Beruf des Raumausstatters. Von Januar 1951 bis zum 31.12.1994 war er im erlernten Beruf (Verlegen von Bodenbelägen sowie Ausführen von Polster- und Gardinenarbeiten) tätig, zunächst als Angestellter, seit 1959 als selbständiger Unternehmer.
Am 31.07.1995 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, u.a. Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule als Folge einer Berufskrankheit anzuerkennen und ihm deswegen Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Diese Gesundheitsstörungen führte er auf seine mehr als 40-jährige Tätigkeit als Bodenleger zurück; bei dieser Tätigkeit habe er schwere Lasten heben und tragen sowie Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausführen müssen. Wirbelsäulenbeschwerden seien erstmals vor etwa 3 bis 4 Jahren aufgetreten. Am 19.09.1995 erstattete der Internist Dr. F die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit im Bereich der Wirbelsäule. In seiner Erklärung vom 20.10.1995 gab der Kläger zu seinen beruflichen Belastungen u.a. an, er habe regelmäßig Teppich- und Linoleumrollen sowie 35 kg schwere "Klebeeimer" und bis zu drei jeweils 25 kg schwere Säcke mit Ausgleichsmasse getragen. In seinem Bericht vom 31.05.1996 führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten aus, der Kläger sei 44 Jahre lang belastenden Tätigkeiten ausgesetzt gewesen; nach seinen Angaben habe er während 15 Jahren Lasten mit mindestens 50 kg Gewicht bei gleichzeitig nach vorn und seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung auf der Schulter getragen. Zu den Gesundheitsstörungen des Klägers holte die Beklagte die Auskunft des Orthopäden Dr. K vom 08.01.1996 ein und zog von den behandelnden Ärzten Röntgenaufnahmen bei. Der Kläger legte ferner den Arztbrief des Orthopäden Dr. S vom 27.04.1993 sowie die "Beurteilung" des Dr. F vom 30.11.1995 vor. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 09.05.1996 führte der Orthopäde Dr. N zusammenfassend aus, nach den Röntgenbildern lägen fortgeschrittene degenerative Veränderungen in fast allen Hals- und Lendenwirbelsäulensegmenten vor; diese seien jeweils etwa gleich stark ausgeprägt. Sodann ließ die Beklagte den Kläger durch den Orthopäden Prof. Dr. W untersuchen und begutachten (Gutachten vom 13.08.1996). Diesem gegenüber gab der Kläger anamnestisch u.a. an, er habe schon seit frühester Jugend im väterlichen Betrieb als Polsterer und Bodenleger mitgearbeitet; dabei habe er Eimer mit Klebemasse von 25 kg Gewicht, oft mehrere Eimer gleichzeitig, über viele Stockwerke tragen müssen. Gerade bei Polsterarbeiten verharre man in vornübergebeugter Haltung über fünf bis sechs Stunden. Im Rahmen seiner Raumausstattertätigkeit habe er regelmäßig über 45 Jahre Überkopfarbeiten beim Gardinenaufhängen, oft 10 bis 12 Stunden täglich, ausgeführt. Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bestünden seit 15 Jahren mit zunehmender Tendenz, Halswirbelsäulenbeschwerden seien erst in den letzten sechs bis acht Jahren aufgetreten. Die von Prof. Dr. W veranlaßten Röntgenaufnahmen ergaben u.a. ausgeprägte Osteochondrosen und Spondylarthrosen im Bereich der mittleren und unteren Halswirbelsäule, insbesondere in den Segmenten C4 bis C7, mit ausgeprägter Verschmälerung der Bandscheibenräume C5 bis C7, ausgeprägte Osteochondrosen und Spondylarthrosen im Bereich der gesamten Brustwirbelsäule mit insbesondere im mittleren und unteren Abschnitt deutlichen ventralen Osteophyten und teilweise ventralen Spangenbildungen sowie ausgeprägte Osteochondrosen und Spondylarthrosen im mittleren Lendenwirbelsäulenbereich mit deutlichen, zum Teil spangenbildenden Osteophyten in den Segmenten L1 bis L4. Ferner diagnostizierte Prof. Dr. W eine vermehrte Kyphose der oberen Brustwirbelsäule, eine Abflachung der Lendenlordose, eine endgr...