Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrentenanspruch. Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe. Absicht der Versorgung des Ehegatten. Motive der Eheschließung
Leitsatz (amtlich)
§ 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 stellt nicht alleine auf den Erhalt einer Hinterbliebenenrente nach dem SGB 6 ab, sondern auf einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Ausreichend für die Annahme, dass iS des § 46 Abs 2a Halbs 2 SGB 6 ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung begründet werden soll, ist es, wenn Zweck der Heirat war, den Hinterbliebenen im Hinblick auf das Ableben des Versicherten mit solchen privatrechtlichen (zB erbrechtlichen, privatversicherungsrechtlichen), sozialrechtlichen oder sonstigen (zB öffentlich-rechtlichen, versorgungsrechtlichen) Ansprüchen auszustatten, damit dieser nach dem Tod des Versicherten - zumindest in geringem Grad - finanziell versorgt ist. Damit genügt es, wenn sich die Absicht der Versorgung des Ehegatten auch auf dessen Versorgung mit privaten Vermögenswerten bezieht und eine Versorgung mit Ansprüchen der Gesetzlichen Rentenversicherung daneben nicht bedacht worden war oder wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin, die den am 11. Mai 2009 verstorbenen Versicherten am 5. Mai 2009 geheiratet hatte, aufgrund ihres Antrages vom 26. Mai 2009 eine Hinterbliebenenrente (hier: große Witwenrente) zu gewähren.
Die am … 1960 geborene Klägerin ist die Witwe des 1939 geborenen und am … 2009 verstorbenen Versicherten.
Der Versicherte war seit dem 11. Mai 1965 mit seiner früheren Ehefrau verheiratet, mit der er zwei erwachsene Kinder hatte. Mit seiner früheren Ehefrau vereinbarte der Versicherte durch notariellen Ehevertrag vom 27. Mai 1975 Gütertrennung. Im Jahr 1979 trennte sich der Versicherte von seiner früheren Ehefrau und lebte seit dem Jahr 1980 mit der Klägerin zusammen. Die Klägerin ist berufstätig (monatliches Nettoeinkommen ca. 1400,00 Euro). Sie verfügt über eine Anwartschaft auf eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (ca. 740,00 Euro monatlich). Sie hat weitere Einkünfte aus der Vermietung zweier Wohnungen (ca. 1.120,00 Euro) sowie einer Hinterbliebenenrente des Versorgungswerks für Presse-Angehörige (393,00 Euro) und ist auch mit privaten Verträgen für das Alter abgesichert (Riesterrente Kapital ca. 30.000,00 Euro; Lebensversicherung Ablaufleistung ca. 53.131,00 Euro; private Rentenversicherung ab 2016 mtl. 113,00 Euro).
Nachdem der Versicherte im Jahr 2004 an Krebs erkrankt war und im August 2008 eine Krebsoperation erfolgreich verlaufen war, erkrankte er im April 2009 erneut schwer. Die Ärzte des Universitätsklinikums T. teilten dem Versicherten mit, er habe mit dem alsbaldigen Tod zu rechnen.
In dieser Situation sei der Wunsch des Versicherten, so der Vortrag der Klägerin, so stark geworden, dass er alle zuvor gegen eine Scheidung bestehenden materiellen Bedenken - der Versicherte rechnete zuvor damit, dass sich seine frühere Ehefrau vehement gegen das Scheidungsverfahren wehren würde - über Bord geworfen habe und bereit gewesen sei, seiner früheren Ehefrau für deren Unterhalts- und Versorgungsausgleichsansprüche einen Abfindungsbetrag von 200.000,00 Euro zu bezahlen, wenn sie einer baldigen Scheidung zustimme.
Der Versicherte einigte sich am 12. April 2009 mit seiner früheren Ehefrau. Am 14. April 2009 reichte er beim Amtsgericht B. den Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung ein.
Am 27. April 2009 änderte der Versicherte sein Testament. Darin erklärte der Versicherte, mit der Klägerin durch Notheirat die Ehe schließen zu wollen. Diese solle das Erbe wie eine auf den Pflichtteil eingestufte Ehefrau erhalten, auch wenn die vorgesehene Eheschließung zu seinen Lebzeiten nicht mehr vollzogen werden könne. Mit der Beschränkung auf den Pflichtteil stellte der Versicherte die Klägerin im Verhältnis zu seinen Kindern erbrechtlich seiner früheren Ehefrau gleich, die er ebenfalls auf den Pflichtteil gesetzt hatte. Darüber hinaus sprach der Versicherte der Klägerin in seinem Testament vom 27. April 2009 weitere Vermögenswerte und Rechte (einjähriges Wohnrecht in der gemeinsam genutzten Wohnung, sämtliche Einrichtungsgegenstände der gemeinsam genutzten Wohnung und der beiden Ferienhäuser in Frankreich und einen Audi Avant allroad quattro) zu; das übrige Vermögen teilte er hälftig unter seinen Kindern. Nach Angaben der Klägerin beläuft sich der Pflichtteil auf ein Viertel des Vermögens, überwiegend bestehend aus Immobilien in Deutschland mit einem Wert von ca. 1.000.000,00 Euro sowie weiteren Immobilien im Ausland.
Auf Drängen des behandelnden Arztes der Universitätsklinik T. verlegte das Amtsgericht B. den zuvor auf den 19. Mai 2009 anberaumten Scheidungstermin auf den 5. M...