Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung
Orientierungssatz
Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung verstößt nicht gegen die Art 2, 3 und 12 GG (Anschluß an BSG vom 29.1.1998 - B 12 KR 35/95 R = BSGE 81, 276 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1; vgl Nichtannahmebeschluß der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 29.12.1999 - 1 BvR 679/98 = SozR 3-2600 § 158 Nr 2).
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist hauptsächlich streitig, ob der Kläger zu Recht Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) ist.
Der ... 1963 geborene Kläger war bei der B M GmbH in M und ist nunmehr bei der B AG als Arbeitnehmer beschäftigt. Er beantragte mit Schreiben vom 24. April 1995 die Freistellung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und der RV, da die Versicherungspflicht nicht mit dem Grundgesetz (GG), insbesondere nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG, vereinbar sei. Sie stehe auch im Widerspruch zum EWG-Vertrag. Er kündigte weiter -- soweit eine rechtliche Handhabe bestehen sollte -- die Rückforderung aller sowohl von ihm als auch von seinem Arbeitgeber geleisteten Beiträge an. Nach Anhörung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Rentenversicherungsträger des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 1995 die Freistellung von der Beitragspflicht zur BA und mit Bescheid vom 05. September 1996 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der RV ab, wogegen der Kläger jeweils Widerspruch einlegte, diesen -- beschränkt auf die Pflichtversicherung in der RV -- damit begründete, daß die Beiträge zur RV eine Sondersteuer darstellten. Sie verstießen außer gegen Art. 3 Abs. 2 GG auch gegen Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 120 GG.
Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuß wies mit Bescheid vom 11. Februar 1997 die Widersprüche zurück, da der Kläger als nicht kurzzeitig beschäftigter Arbeitnehmer mit einem Arbeitsentgelt oberhalb der Entgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) -- im Jahr 1995 DM 5.850,-- monatlich -- gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beitragspflichtig in der AV sei. Beitragsfreiheit in der AV begründende Tatbestände lägen nicht vor. In der RV sei er gemäß § 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) versicherungspflichtig, da er gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sei, und weder die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit gemäß § 5 SGB VI noch die für die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI vorlägen. Die Beitrags- bzw. Versicherungspflicht sei nicht verfassungswidrig. Dies habe letztendlich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festzustellen.
Die hiergegen beim Sozialgericht (SG) Mannheim erhobene Klage begründete der Kläger umfangreich unter Vorlage seiner Stellungnahme zur Thematik "Verfassungswidrigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung". Die Zwangsmitgliedschaft in der RV hindere ihn an einer wesentlich günstigeren privatwirtschaftlichen Alterssicherung. Die RV sei gegenüber den Formen der privaten Vorsorge nicht nur nicht konkurrenzfähig, sondern habe eine betrügerische Dimension, da der Generationenvertrag nicht auf dem Prinzip des gegenseitigen Ausgleichs beruhe, nachdem die Generation der derzeitigen Beitragszahler eindeutig benachteiligt werde. Der Vollzug stelle ein Diktat zu Lasten der jungen Arbeitnehmergeneration dar. Die RV biete nicht einmal eine Verzinsung von 5 vom Hundert (v. H.), die im Zivilrecht vorgeschrieben sei, sondern höchstens eine solche von 1,5 bzw. 2,5 v. H. Der Kläger hat sich darüber hinaus umfänglich mit der Rechtsprechung des BVerfG zum Kohlepfennig und zur Vermögenssteuer auseinandergesetzt. Nach seinen Angaben ist er mit Wirkung vom 01. Dezember 1996 nicht mehr bei der Beklagten, sondern bei der Betriebskrankenkasse der B AG krankenversichert.
Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegengetreten.
Das SG hat mit Beschluß vom 24. März 1997 die BfA zum Verfahren beigeladen und die Klage mit Urteil vom 10. Juli 1998 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt: Soweit der Kläger hilfsweise Beitragserstattung, Beitragsfestsetzungen usw. von der Beigeladenen geltend mache, sei dies im Hinblick auf § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG) -- Verwaltungsakt als Voraussetzung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage -- und die Notwendigkeit eines Vorverfahrens (§ 78 SGG) nicht zulässig. Allein zu überprüfen sei nach der Antragsbeschränkung nur noch der aus dem Antrag auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der RV ergangene Bescheid und Widerspruchsbescheid. Danach sei der Kläger in der RV versicherungspflichtig, was nicht gegen Bestimmungen des GG verstoße, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht komme. Die Pflichtmitgliedsc...