Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Berücksichtigung von Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten. Härtefall
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Gewährung von Leistungen für Hilfe zur Pflege ist auch das Vermögen des Ehepartners des Hilfeempfängers (nach Abzug der Vermögensfreibeträge) in vollem Umfang zu berücksichtigen. Es ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, von wem das Vermögen angespart wurde.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 11. August 2021 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Klägerin zu 2.
Die 1961 und 1962 geborenen Kläger sind verheiratet und haben einen 1996 geborenen Sohn, der studiert. Die Klägerin zu 2 leidet an Demenz, ihr ist seit 01.10.2020 Pflegegrad 4 (vgl. Pflegegutachten vom 20.11.2020) zuerkannt und sie ist seit Juni 2020 (Heimvertrag vom 17.07.2020) vollstationär im Seniorenstift S Haus E untergebracht. Der Kläger zu 1 wohnt noch in der den Klägern gehörenden 84 qm großen Eigentumswohnung in A. Die Klägerin zu 2 hat dem Kläger zu 1 eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt (vgl. Urkunde des Notariats L vom 10.06.2010).
Am 11.11.2020 beantragte der Kläger zu 1 für Klägerin zu 2 Hilfe zur Pflege. Hierzu legte er verschiedene Unterlagen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Kläger vor. Hieraus ergibt sich zunächst, ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Klägers zu 1 von ca. 3.300,00 Euro (vgl. Verdienstabrechnungen für 2020 Bl. 48 d. VA), sowie ein Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung der Klägerin zu 2 in Höhe von monatlich 614,86 Euro (Stand 01.07.2020, Bl. 47 d. VA). Außerdem waren ausweislich der vorgelegten Unterlagen zum Antragszeitpunkt folgende Vermögenswerte der Kläger vorhanden:
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Girokonto V-Bank |
47.454,32 Euro |
Geldmarkkonto V-Bank |
3.426,06 Euro |
S V-Bank |
12.612,89 Euro |
Geschäftsanteile V-Bank |
1.250,00 Euro |
Unieuro-Aktien U I |
1.531,17 Euro |
Privatfond U I |
23.510,56 Euro |
Unieuro-Aktien U I |
3.841,22 Euro |
Kreditkartenkonto V-Bank |
-846,19 Euro |
F V-Bank |
1.379,16 Euro |
Geschäftsanteile V-Bank |
1.250,00 Euro |
Bauspareinlagen |
17.954,39 Euro |
Bauspardarlehen |
-16.411,71 Euro |
Gesamt |
96.951,87 Euro |
Zudem bestehen verschiedene Lebensversicherungen bei der A und V AG, wobei hier zum Teil Teilkündigungen der Versicherungen bei der V, die auch der Klägerin zu 2 gehörten, vorgenommen wurden. Für den Kläger zu 1 ist eine Direktversicherung über seine Arbeitgeberin bei der R -Rentenversicherung abgeschlossen (bei Rentenbeginn am 01.03.2026 garantierte einmalige Kapitalabfindung von 63.702,66 Euro), der Stand der Lebensversicherung bei der A beträgt 16.271 Euro (garantierte Altersvorsorge zum 30.11.2021).
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin zu 2 mit Bescheid vom 09.12.2020 ab, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Leistung nicht vorlägen. Hilfe zur Pflege werde nur geleistet, soweit der Hilfesuchende und sein nicht getrennt lebender Ehegatte den erforderlichen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen könne. Den Klägern zu 1 und zu 2 werde ein Schonvermögen von 10.000,00 Euro eingeräumt. Nach den vorliegenden Unterlagen verfügten die Kläger aber über ein Vermögen aus Aktiendepots, den Giro- und Sparkonten von insgesamt 95.049,19 Euro, so dass abzüglich des Schonbetrages ein übersteigendes Vermögen von 85.049,19 Euro vorliege. Die ebenfalls vorhandenen Lebensversicherungen und Zusatzrenten seien noch gar nicht berücksichtigt worden. Aus dem die Vermögensfreigrenze übersteigenden Betrag könnten die Heimkosten über viele Monate bezahlt werden. Nach erfolgtem Vermögensverbrauch stehe es den Klägern frei, einen erneuten Antrag zu stellen. Der Bescheid war adressiert an den Kläger zu 1. Im Betreff war aufgeführt: „Antrag vom 11.11.2020, E.R. (…), Übernahme der durch eigene Einkünfte nicht gedeckten Heimkosten (…)“.
Hiergegen ist am 18.12.2020 Widerspruch erhoben worden. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die angelegten Gelder ganz wesentlich dem Kläger zu 1 und nicht der Klägerin zu 2 zuzuordnen seien. Die Klägerin zu 2 verfüge allein über 5.654,75 Euro (V-FlexSparen 1.379,16 Euro, Geschäftsanteile V-Bank 1.250,00 sowie Anteil Girokonto 3.025,59 Euro) und zur Hälfte über den Bausparvertrag (17.954,39 Euro abzüglich Schulden in Höhe von 16.411,71 Euro) und das V Giro V-Bank in Höhe von 17.065,12 Euro. Alle anderen Vermögenswerte seien allein dem Kläger zu 1 zuzuordnen. Derzeit zahle der Kläger zu 1 inkl. Zuzahlungen für Medikamente und Kosten der Betreuung monatlich durchschnittlich 3.200,00 Euro. Mit Schreiben vom 30.04.2021 wurde erneut vorgetragen, dass das Vermögen im Wesentlichen dem Kläger zu 1 zuzuordnen sei...