Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Einkommenseinsatz. Wohnungsrecht. Erlöschen bei Aufnahme in ein Pflegeheim. Überlassung der Ausübung an einen anderen. Mieteinnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den konkreten Voraussetzungen, wann ein Wohnrecht keinen wirtschaftlichen Wert mehr hat, der im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung bei Hilfe zur Pflege noch zu berücksichtigen wäre.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Hilfe zur Pflege im Zusammenhang mit ungedeckten Heimkosten im Streit.

Der im Januar 1924 geborene und im März 2021 verstorbene Vater der Klägerin, K1 (im Folgenden K1) schenkte der Klägerin im September 2006 sein von ihm damals bewohntes Hausgrundstück (Doppelhaushälfte mit 300 Quadratmeter Grundstück und 165 Quadratmeter Wohnfläche) mit der Auflage, ihm ein Wohnrecht darin einzuräumen. Vertraglich war darin geregelt, dass eine Überlassung des Wohnrechts an Dritte und die Umwandlung in einen Zahlungsanspruch, wenn es nicht mehr ausgeübt werden könne, ausgeschlossen seien und der Eigentümer mit Ausnahme für Schönheits- und Kleinreparaturen für die Instandhaltung des Hausgrundstückes zuständig sei. Das Wohnrecht war in das Grundbuch eingetragen worden.

Seit September 2015 wurde K1, bei dem inzwischen Pflegegrad IV festgestellt war, stationär gepflegt. Ab Juli 2016 fand eine Vermietung des Hausgrundstückes zunächst bis März 2018 (Nettokaltmiete 890,00 €) statt. Ab Ende 2017 erfolgte eine Renovierung des Dachs, für die die Klägerin ein Darlehen in Höhe von rund 50.000,00 € aufnehmen musste (die monatliche Belastung durch das Darlehen betrug 471,38 € - Tilgung + Zinsen -). Nachdem das Haus ab März/April 2018 (die Mieter waren bei Weiterzahlung der Miete schon vorher ausgezogen) vorübergehend leer stand, erfolgte ab August 2018 bis Juli 2020 eine erneute Vermietung (Nettokaltmiete 920,00 €). Nach Auszug des letzten Mieters wurde das Wohnrecht Juli/August 2020 gelöscht. In der Zwischenzeit wurde das Haus von der Klägerin verkauft.

Soweit die Heimkosten nicht durch die Rente und Leistungen der Pflegeversicherung gedeckt waren, bestritt K1 bis Dezember 2016 diese ungedeckten Heimkosten aus angelegtem Geldvermögen. Nachdem dieses bis auf den Schonbetrag (5.000 €) aufgebraucht war, übernahm die Klägerin ab Januar 2017 die ungedeckten Heimkosten in Höhe von ca. 400,00 bis 650,00 € monatlich aus den Mieteinnahmen.

Am 26. September 2019 beantragte der durch die Klägerin vertretene K1 beim Beklagten die Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Die Klägerin wies darauf hin, nicht mehr in der Lage zu sein, diese Kosten zu übernehmen.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2020 lehnte der Beklagte die Gewährung von Hilfe zur Pflege ab. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass nach Abzug der Rente und der Pflegeversicherungsleistungen monatlich rund 681,00 € an ungedeckten Heimkosten anfallen würden. Dieser Betrag sei aus der Vermietung des Hausgrundstücks zu bestreiten. Zwar sei die Überlassung des Hausgrundstücks an Dritte und die Umwandlung des Wohnrechts in einen Zahlungsanspruch vertraglich ausgeschlossen worden. Jedoch sei das Haus dennoch vermietet worden. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin die Vermietung entgegen dem Schenkungsvertrag konkludent gestattet habe. Daher stünden die Mieteinnahmen dem K1 zu, wie es auch in der Vergangenheit praktiziert worden sei. Von der Miete sei die Darlehensrate für den Renovierungskredit nicht abzuziehen (bei Abzug verbliebe ein ungedeckter Bedarf von rund 232,00 €), da die Klägerin nach dem Schenkungsvertrag für die Renovierung verantwortlich gewesen sei. Zur Stützung seiner Entscheidung verwies der Beklagte auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Januar 2007 (Az. V ZR 163/06 in juris).

Hiergegen hatte K1 am 26. Februar 2020 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Zur Begründung hatte er vorgetragen, er könne das Wohnrecht nicht mehr ausüben. Damit sei es erloschen. Das Wohnrecht habe sich nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. K1 hatte hierzu auf das Urteil des BGH vom 13. Juli 2012 (Az. V ZR 206/11 in juris) verwiesen. Die Zahlungen bis September 2019 seien nur als Notfalldarlehen erfolgt. Wegen gestiegener Heimkosten sei dies nicht mehr möglich gewesen. Die Löschung des Wohnrechts sei ohne Ausgleichszahlung erfolgt, da kein Rechtsanspruch mehr bestanden habe.

Der Beklagte trat der Klage entgegen und hielt an seiner Auffassung fest. Zu der erst im Laufe des Gerichtsverfahrens vorgenommenen Löschung des Wohnrechts hat er ergänzend vorgetragen, dieses sei nur gegen eine Ausgleichszahlung möglich. Ansonsten liege eine Schenkung vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Beklagte dargelegt, dass das Wohnrecht zum Zeitpunkt ...

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