Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewaltopferentschädigung. tätlicher Angriff. Bankraub mit Schreckschusspistole. posttraumatische Belastungsstörung bei Bankmitarbeiterin

 

Leitsatz (amtlich)

Ein tätlicher Angriff (hier Banküberfall) kann auch mit einer Schreckschusspistole verübt werden, wenn diese aus der Sicht eines vernünftigen Dritten als einsatzfähige Schusswaffe angesehen worden wäre.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2014; Aktenzeichen B 9 V 1/13 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 23. April 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) darüber, ob die Klägerin infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Die 1985 geborene und als Bankkauffrau bei der Volksbank H. e.G., Zweigstelle H.-F., beschäftigte Klägerin stellte am 28.09.2009 beim Landratsamt H. - Versorgungsamt - (im Folgenden: Landratsamt) einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Zur Begründung gab sie an, sie leide wegen eines Banküberfalls am 13.02.2009 auf die Bankfiliale H.-F. an einer posttraumatischen Belastungsstörung, wegen derer sie sich in ständiger psychologischer Behandlung befinde.

Im seit 29.09.2009 rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts H. (Geschäftsnummer 3 KLs 12 Js 13621/09) finden sich zum hier maßgeblichen Sachverhalt zusammengefasst die folgenden Ausführungen:

Der 27 Jahre alte S befand sich am Freitag, den 13.02.2009 vormittags mit seinem BMW auf der Fahrt von S. nach H., als er den Entschluss fasste, die in H.-F. gelegene Filiale der Volksbank H. zu überfallen. In Ausführung dieses Tatplans parkte S gegen 11:00 Uhr etwa 50 Meter von der Filiale entfernt sein Fahrzeug in einer in der Nähe der Bank gelegenen Seitenstraße. Zur Tat fest entschlossen nahm er die von ihm zufällig im Kofferraum des Fahrzeugs mitgeführte ungeladene Schreckschusspistole der Marke Perfecta, Mod. FBI 8000, Cal. 8 mm mit dem Zulassungszeichen “PDB im Kreis„ an sich, die er zu einem nicht mehr aufklärbaren Zeitpunkt für die Konstanzer Fassnacht erworben hatte. Munition für diese täuschend echt aussehende Waffe besaß der Angeklagte nicht. Er steckte die Waffe in seine Hosentasche und verdeckte sie anschließend mit dem von ihm getragenen schwarzen Kapuzenpullover. Außerdem nahm er spätestens zu diesem Zeitpunkt eine im Fahrzeug mitgeführte Sonnenbrille und Handschuhe an sich, um sich damit während des Überfalls zu maskieren. Derart ausgestattet beobachtete er vom Gehweg der B. Straße die Kundenräume der Bankfiliale und betrat gegen 11:20 Uhr, nachdem er die Sonnenbrille aufgesetzt, die Kapuze des Pullovers über den Kopf bis an die Sonnenbrille ins Gesicht gezogen und den Schal über seine Wangen- und Mundpartie gelegt sowie die Handschuhe angezogen hatte, den Schalterraum, in dem sich zu diesem Zeitpunkt außer der Klägerin der Bankberater K aufhielt. S nahm die mitgeführte Pistole mit seiner rechten Hand aus seiner Hosentasche und begab sich an den - vom Kundenbereich aus gesehenen - rechten Bankschalter. Dort richtete er die Waffe aus naher Entfernung deutlich sichtbar auf den Kundenberater K, der zur Bedienung des vermeintlichen Kunden an den Schalter getreten war, und forderte diesen mit den Worten “Geld her, das ist kein Spaß„ auf, Bargeld in die von S mitgebrachte Stofftasche zu packen und ihm zu übergeben. In diesem Moment gingen K und die Klägerin, die an einem Schreibtisch hinter dem linken Kundenschalter saß, von der Echtheit der ihnen vorgehaltenen Schusswaffe aus und fürchteten deshalb um ihr Leben. Während die Klägerin aus Angst regungslos an ihrem Schreibtisch sitzen blieb, forderte K unter dem Eindruck der für ihn als lebensbedrohlich empfundenen Situation den gesamten Inhalt des Faches 4 aus dem automatischen Kassentresor an. Unterdessen begab sich S zum linken Kundenschalter, von wo aus er seine Waffe zunächst auf die Klägerin und danach wieder auf K richtete. Nach dem Öffnen der Tresortüre, die sich erst mit einer Zeitverzögerung von 30 Sekunden öffnen ließ, packte K aus Sorge um sich und um das Wohl der Klägerin weisungsgemäß sämtliche Geldscheine in einem Gesamtwert von etwa 16.000 bis 17.000 € in die Stofftüte des S. Diese wollte er sodann S reichen. S nahm die Tasche allerdings nicht an, sondern verlangte weiteres Geld. Deshalb löste K am automatischen Kassentresor das Fach 2 aus, das erst nach einer Zeitverzögerung von fünf Minuten zu öffnen ist. Obwohl K S darauf hingewiesen hatte, dass das Auslösen des zweiten Faches fünf Minuten in Anspruch nehmen würde, und auch die Klägerin bestätigt hatte, dass es lange dauern würde und er doch schon sehr viel Geld habe, blieb S die ganze Zeit von fünf Minuten vor dem linken Bankschalter ...

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