Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Wohnsitz in Deutschland. nicht erwerbstätiger Familienangehöriger einer Grenzgängerin. Mitversicherung. Bezug einer deutschen und einer schweizerischen Rente. Zuschuss zur obligatorischen Krankenversicherung nach dem Schweizerischen Krankenversicherungsgesetz. keine Pflichtversicherung iS von § 106 Abs 1 SGB 6

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 106 Abs 1 S 1 SGB 6 begründet bei europarechtskonformer Auslegung auch einen Anspruch auf Zuschuss zur Krankenversicherung für ein Versicherungsverhältnis in der Schweiz, wenn das schweizer Versicherungsunternehmen der dortigen staatlichen Aufsicht unterliegt (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg vom 9.6.2010 - L 4 R 583/06).

2. § 106 Abs 1 S 2 SGB 6 (hier in der bis 30.4.2007 geltenden Fassung, aber auch in der ab 1.5.2007 geltenden Fassung) schließt einen Anspruch auf Zuschuss zu einer ausländischen Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus.

3. Die in der Schweiz bestehende Pflicht, sich für Krankenpflege zu versichern (so genannte obligatorische Krankenpflegeversicherung), stellt keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung iS des § 106 SGB 6 dar (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg vom 9.6.2010 - L 4 R 583/06).

 

Orientierungssatz

Eine bloße Mitversicherung des Rentners als Familienangehöriger ist für einen Zuschuss nach § 106 Abs 1 S 1 SGB 6 nicht ausreichend. Erforderlich ist vielmehr, dass der Rentner mit dem privaten Versicherungsunternehmen in einem gegenseitigen, entgeltlichen Versicherungsverhältnis steht, in dem er selbst Versicherungsnehmer oder beitragspflichtiger Versicherter mit einem eigenen, nicht von den Dispositionen eines Dritten abhängigen, Anspruch auf Versicherungsleistungen ist (vgl BSG vom 25.5.1993 - 4 RA 30/92).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.04.2013; Aktenzeichen B 12 R 13/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.08.2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 06.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Bewilligung eines Zuschusses zur Krankenversicherung des Klägers zu Recht zurückgenommen hat.

Der am 1941 geborene Kläger hat seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland. Er war nach einer langjährigen Tätigkeit als Gerichtsvollzieher zuletzt als Waldorflehrer und Heilpädagoge beschäftigt und als solcher bis 31.08.2005 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Seit 01.09.2005 bezieht der Kläger Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von rund 1.500 €, seit 01.12.2006 auch eine schweizerische Altersrente. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner erfüllt der Kläger nicht.

Die Ehefrau des Klägers, die als Grenzgängerin in der Schweiz beschäftigt ist, unterliegt aufgrund dieser Tätigkeit der schweizerischen Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, wodurch sie verpflichtet ist, sich in der Schweiz “für Krankenpflege„ zu versichern. Sie musste hierzu unter freier Auswahl unter den öffentlichen und privaten Versicherern der Schweiz einen Versicherungsvertrag abschließen (Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 Schweizerisches Bundesgesetz über die Krankenversicherung - KVG -), sonst wäre sie einem Versicherer zugewiesen worden (Art. 6 KVG). Entsprechend hat sie bei dem schweizerischen Versicherer H. Versicherungen AG (im Folgenden: H. AG), der staatlicher Aufsicht unterliegt, in der sog. “obligatorischen Krankenpflegeversicherung„ ein vertragliches Versicherungsverhältnis begründet. Ab 01.11.2005 war der Kläger aufgrund eines von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrages ebenfalls bei der H. AG auf der Basis der “obligatorischen Krankenpflegeversicherung„ für ambulante Arztbehandlung, stationäre Krankenhausbehandlung, Arznei- und Heilmittelkosten sowie zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz bei einer Selbstbeteiligung (300,00 CHF jährlich sowie 10%) krankenversichert (Gesamtmonatsprämie Stand 01.11.2005: 330,00 CHF). Die H. AG war - in Unkenntnis des Rentenbezuges des Klägers - davon ausgegangen, dass der Kläger als Familienangehöriger einer Grenzgängerin aufgrund des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 (Freizügigkeitsabkommen, in Kraft seit 01.06.2002) und darauf beruhender Regelungen im Anhang VI - Schweiz - der VO (EWG) Nr. 1408/71 - bei danach möglicher, vom Kläger aber damals nicht in Anspruch genommener Befreiungsmöglichkeit - ebenfalls bei ihr (Art. 4a Buchstabe a KVG) versicherungspflichtig war. Das Versicherungsverhältnis wurde zum 31.08.2007 aufgehoben, nachdem der Kläger zum 01.09.2007 freiwilliges Mitglied der Technikerkrankenkasse (TKK) g...

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