Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss bei Ortsabwesenheit ohne Zustimmung. keine Anwendung auf Sozialgeldbezieher

 

Leitsatz (amtlich)

§ 7 Abs 4a SGB 2 findet auf nicht erwerbsfähige Bezieher von Sozialgeld nach § 28 SGB 2 keine Anwendung.

 

Orientierungssatz

Zur Anwendung des Leistungsausschlusses gem § 7 Abs 4a SGB 2 bei Ortsabwesenheit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger ohne vorherige Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger zu 3 bis 6 wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2009 abgeändert.

Die an die Kläger zu 3 bis 6 gerichteten Bescheide der Beklagten vom 16. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2008 werden aufgehoben.

Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 3 bis 6 in beiden Rechtszügen. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1 und 2 sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 03.08.2008 bis 31.08.2008 streitig.

Der Kläger zu 1, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2, sowie ihre vier 2002, 2003, 2004 und 2006 geborenen Kinder, die Kläger zu 3 bis 6, leben in einem gemeinsamen Haushalt und bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Mit an die Klägerin zu 2 gerichtetem Bescheid vom 03.03.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2008 bis 31.08.2008 in Höhe von insgesamt monatlich 1.220,43 € (Kläger zu 1 und 2 Regelleistung je 312,00 €, Kosten der Unterkunft (KdU) Kläger zu 1 80,08 €, Klägerin zu 2 80,07 €; Kläger zu 3 bis 6 jeweils Sozialgeld 29,00 €, KdU 80,07 €). Der Bewilligungsbescheid enthielt u.a. folgenden Hinweis: “Sie müssen immer unter der von Ihnen benannten Adresse erreichbar sein. Sollten Sie eine Ortsabwesenheit planen, sind Sie verpflichtet, den Zeitraum und die Dauer der Ortsabwesenheit mit Ihrem persönlichen Ansprechpartner vorab abzustimmen. Eine unerlaubte Abwesenheit kann zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen.„

Im Rahmen der Vorlage von Unterlagen für die Weiterbewilligung der Leistung teilte der Kläger zu 1 am 01.08.2008 telefonisch mit, er könne die fehlenden Unterlagen nicht abgeben, da er mit seiner Familie am Sonntag den 03.08.2008 für drei Wochen in die Türkei in Urlaub fahre. Ausweislich des hierüber gefertigten Aktenvermerks (Bl. 603 VwA) wurde dem Kläger zu 1 mitgeteilt, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit liege nicht vor.

Am 04.08.2008 teilte ein Bekannter des Klägers zu 1 telefonisch mit, dieser sei bereits am 01. oder 02.08.2008 in Urlaub gefahren und habe bei der Arbeitsvermittlung vorher niemanden telefonisch erreichen können.

1. Mit an die Klägerin zu 2 gerichtetem Bescheid vom 05.08.2008 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II vom 03.08.2008 bis 31.08.2008 ganz auf mit der Begründung, sie habe sich außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) definierten zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten und deshalb nicht ohne Verzug jede zumutbare Beschäftigung aufnehmen können. Weiter setzte sie die Erstattung der gewährten Leistungen sowie der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (insgesamt 1.284,49 €) fest.

Hiergegen legte die Klägerin zu 2 am 08.09.2008 Widerspruch ein mit der Begründung, bei dem Aufenthalt in der Türkei habe es sich nur um einen kurzen Durchreiseaufenthalt für die Heimreise in den Libanon zu ihrer kranken Mutter gehandelt. Sie habe nicht gewusst, dass sie die Ortsabwesenheit schriftlich mitteilen müsse, den Urlaub habe sie mehrfach mündlich mitgeteilt und zudem vergeblich versucht, ihren Arbeitsvermittler telefonisch zu erreichen. Der Reisepass der Klägerin zu 2 (Bl. 733 VwA) trägt einen Einreisestempel des Libanon vom 06.08.2008 und einen Ausreisestempel vom 31.08.2008.

Mit Abhilfebescheid vom 16.09.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 05.08.2008 auf. Zur Begründung führte sie aus, die Aufhebung erfolge ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen. Die Beklagte behalte sich vor, die Angelegenheit in Kürze erneut aufzugreifen.

2. Mit Bescheid vom 04.08.2008 teilte die Beklagte dem Kläger zu 1 mit, der Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 3 der EAO werde nicht zugestimmt, da eine Ortsabwesenheit im Voraus durch den Leistungsträger genehmigt werden müsse. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2008 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.10.2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG - S 15 AS 4451/08 -) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe bereits eine Woche vor der geplanten Auslandsreise mehrere Male versucht, den für ihn zuständigen Sachbearbeiter bei der Beklagten telefonisch zu erreichen, um seine drei- bis maximal vierwöchige Reise mitzuteilen. Dieser sei jedoch nie erreichbar gewesen. ...

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