Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. hausarztzentrierte Versorgung. vertraglich festgelegte Pflicht der teilnehmenden Ärzte zur Selbsterbringung von Allgemeinlaborleistungen. kein Eingriff in Statusrechte bzw Berufsausübungsfreiheit der Laborärzte. sozialgerichtliches Verfahren. besonders hohe Anforderungen an die Zulässigkeit auf Drittrechtsverhältnisse gerichteter Feststellungsklagen. bloße "Reflexwirkungen" genügen nicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. An die Zulässigkeit auf Drittrechtsverhältnisse gerichteter Feststellungsklagen sind besonders hohe Anforderungen zu stellen. Durch das Bestehen oder Nichtbestehen des Drittrechtsverhältnisses muss der Rechtsbereich des Klägers direkt oder indirekt beeinflusst werden, wobei rechtlich geschützte Interessen berührt sein müssen; bloße "Reflexwirkungen", etwa in Gestalt wirtschaftlicher Auswirkungen, genügen nicht.

2. Die in einem (Selektiv-)Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) festgelegte Pflicht der an der HzV teilnehmenden (Haus-)Ärzte, Leistungen des Allgemeinlabors (Abschnitt 32.2 EBM) (juris: EBM-Ä 2008) bei nach Qualifikation/Ausstattung möglicher Selbsterbringung selbst vorzunehmen, stellt einen Eingriff in (Zulassungs-)Statusrechte bzw in die Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) der nur auf Überweisung zur vertragsärztlichen Leistungserbringung befugten Laborärzte nicht dar; diese sind dadurch nur "rechtsreflexhaft" in rechtlich nicht geschützten Interessen (Erwerbsaussichten) betroffen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.02.2020; Aktenzeichen B 6 KA 25/18 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.08.2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu je einem Achtel.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 60.000,00 € endgültig festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger, Betreiber medizinischer Labore, wenden sich gegen eine aus ihrer Sicht stattfindende (weitgehende) Verlagerung von Laboruntersuchungen von der (labor-)fachärztlichen in die hausarztzentrierte Versorgung (HzV).

Die Kläger (des Berufungsverfahrens) sind eine als GbR verfasste ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) - Kläger zu 7) -, als GmbH verfasste Medizinische Versorgungszentren (MVZ) - Kläger zu 1), 2), 4), 5), 6), 8) - sowie ein niedergelassener Facharzt für Laboratoriumsmedizin - Kläger zu 3) -. Der Kläger zu 3), die in der ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft tätigen Fachärzte für Laboratoriumsmedizin und die MVZ nehmen auf Grund entsprechender Zulassungen an der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen der Laboratoriumsmedizin teil. Erbracht werden Laborleistungen nach Kapitel 32 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM). Im Abschnitt 32.2 EBM sind Allgemeine Laboratoriumsuntersuchungen geregelt (Allgemeinlabor). Diese dürfen nicht nur von (nur auf Überweisung zur vertragsärztlichen Leistungserbringung befugten) Fachärzten für Laboratoriumsmedizin, sondern bei Vorliegen der einschlägigen Qualifikationsvoraussetzungen auch von Hausärzten erbracht und abgerechnet werden.

Die Beklagten schlossen am 08.05.2008 nach Maßgabe des § 73b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einen Vertrag zur HzV in Baden-Württemberg (hier maßgeblich i.d.F. der Änderungsvereinbarung vom 15.04.2011, im Folgenden: HzV-Vertrag). Der HzV-Vertrag enthält (teils in als Vertragsbestandteil beigefügten Anlagen) u.a. folgende Regelungen:

§ 5 Besondere Leistungen des Hausarztes im Rahmen der HzV

(1) Der Hausarzt ist gegenüber der A., der H. und dem M. gemäß den folgenden Absätzen 2 bis 6 zum Angebot einer besonderen hausärztlichen Versorgung an die HzV-Versicherten unter Beachtung der nach Maßgabe von Abschnitt V erbring- und abrechenbaren Leistungen sowie besonderer Qualitäts- und Qualifikationsanforderungen verpflichtet. ...

...

(4) Der Hausarzt erbringt in der HzV folgende besonderen Leistungen für HzV-Versicherte:

...

c) Überweisung an Fachärzte unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach Durchführung aller dem Hausarzt möglichen und notwendigen hausärztlichen Abklärungen;

...

§ 19 Anspruch des Hausarztes auf die HzV-Vergütung

(1) Der Hausarzt hat nach Maßgabe der Anlage 12 Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die von ihm vertragsgemäß in Rahmen der HzV erbrachten und nach Maßgabe von diesem § 19 und Anlage 12 abgerechneten Leistungen („HzV-Vergütungsanspruch“). ...

Anlage 12 Vergütung und Abrechnung

Abschnitt III: Allgemeine Vergütungsbestimmungen

...

II. Abrechnung des Hausarztes für die HzV-Versicherten, die ihn als Hausarzt gewählt haben

(1) Der Hausarzt rechnet für die HzV-Versicherten, die ihn als Hausarzt gewählt haben, Pauschalen und Einzelleistungen gemäß dieser Anlage 12 ab. Damit sind grundsätzlich alle hausärztlichen, von der HzV erfassten Leistungen abgegolten. Die im Ziffernkranz (Anhang 1) als obligatorisch gekennzeichneten Ziffern müssen dabei, soweit im Einzelfall medizinisch erforderlich, zwingend vom Hausarzt al...

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