Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. kein Recht der Krankenkasse auf Einsicht in ärztliche Behandlungsunterlagen bei stationärem Krankenhausaufenthalt. Dokumentationstiefe des Krankenhauses bei der Abrechnung einer geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Krankenkasse hat, ohne eine Zustimmungserklärung des Versicherten, kein Einsichtsrecht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen (Patientenakte) betr. einem stationären Krankenhausaufenthalts bei ihr Versicherter. Ein Einsichtsrecht steht nur dem MDK zu (Anschluss an LSG Stuttgart vom 11.4.2014 - L 4 KR 3980/12, BSG vom 23.7.2002 - B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 und vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 29).

2. Zur Dokumentationstiefe des Krankenhauses bei der Abrechnung der DRG B44B (geriatrisch frührehabilitative Komplexbehandlung bei Codierung des OPS 8-550.1).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.12.2017; Aktenzeichen B 1 KR 19/17 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.716,41 € endgültig festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für erbrachte stationäre Behandlungsleistungen i.H.v. weiteren 2.716,41 € zuzüglich Zinsen.

Das für die Behandlung Versicherter nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassene Krankenhaus der klagenden Krankenhausträgerin behandelte die 1915 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte L. A. (im Folgenden Versicherte) vollstationär vom 21.01. - 09.02.2009. Die Versicherte wurde wegen einer zerebralen Ischämie mit spastischer Hemiparese links, einem nicht transmuralen Herzinfarkt, Exsikkose und Niereninsuffizienz zunächst im Klinikum St., B., behandelt und von dort zur frühhabilitativen geriatrischen Komplexbehandlung in das Krankenhaus der Klägerin überwiesen. Sie verstarb am 25.05.2009. Die Klägerin rechnete unter dem 19.02.2009 die Fallpauschale DRG (Diagnosis Related Group) B44B (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems mit schwerer motorischer Funktionseinschränkung, ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) mit einem Gesamtbetrag i.H.v. 6.051,43 € ab, den die Beklagte zunächst vollständig beglich. Die Klägerin kodierte hierbei den Operationen- und Prozeduren-Schlüssel (OPS) 8-550.1 (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung - mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten).

Die Beklagte beauftragte mit Schreiben vom 05.03.2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalls. In ihrem Gutachten vom 06.08.2009 kam Dr. M. für den MDK zu der Einschätzung, dass die Abrechnung des Behandlungsfalls nach der DRG B44B nicht gerechtfertigt sei, die Abrechnung vielmehr nach der DRG B63Z (Demenz und andere chronische Störungen der Hirnfunktion) zu erfolgen habe. Sie führte aus, dass die i.S.d. Kodierrichtlinien relevante Prozedur, konkret die Dokumentation der Teambesprechung, nicht plausibel sei.

Mit Schreiben vom 25.08.2009 forderte die Beklagte von der Klägerin einen Betrag von 2.716,41 € zurück. Der MDK empfehle, so die Beklagte begründend, eine Abrechnung nach der DRG B63Z.

Auf einen Widerspruch der Klägerin gegen das MDK-Gutachten vom 15.12.2009 hin, veranlasste die Beklagte erneut die Einschaltung des MDK, für den Hr. K. unter dem 04.10.2010 ausführte, dass aus den vorliegenden Unterlagen die Dokumentation der Teambesprechung nicht plausibel hervorgehe. Insbesondere sei keine individuelle Darstellung des bisherigen Behandlungsverlaufes und die darauf basierende Planung des weiteren Prozederes ersichtlich. Darüber hinaus sei nicht dokumentiert, in welchem zeitlichen Umfang Therapieeinheiten durchgeführt worden seien.

Mit Schreiben vom 12.10.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der MDK bestätigt habe, dass die Abrechnung nach DRG B63Z zu erfolgen habe. Sie, die Beklagte, habe den Betrag von 2.716,41 € bereits am 01.10.2009 (nach der vorliegenden Zahlungsübersicht erfolgte die die Buchung am 02.11.2009) von anderen Forderungen der Klägerin abgesetzt, weswegen der Vorgang als erledigt betrachtet werde.

Am 25.04.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zu deren Begründung brachte sie vor, die Abrechnung des Behandlungsfall sei zurecht nach der DRG B44B erfolgt, er sei nach dem OPS 8-550.1 (Version 2009) zu kodieren. Dem Teambesprechungsprotokoll könne entnommen werden, dass wöchentliche Teambesprechungen unter Beteiligung aller Berufsgruppen stattgefunden hätten. In diesen seien auch die bisherigen Behandlungsergebnisse und die weiteren Behandlungsziele benannt. Ferner sei aus den Behandlungsunterlagen ersichtlich, dass ergotherapeutische und physiotherapeutische Therapieeinheiten stattgefunden hätten. Dem OPS 8-550.1 lasse ...

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