Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7. ehrenamtliche Pflegeperson. hauswirtschaftliche Verrichtung. Besorgen von Medikamenten und Lebensmitteln. Betriebsweg. Handlungstendenz

 

Orientierungssatz

Eine ehrenamtliche Pflegeperson steht beim Besorgen von Medikamenten (hier: Schmerzmittel) und Nahrungsmittel (hier: Wildfleisch) für ihre pflegebedürftigen Eltern gem § 2 Abs 1 Nr 17 SGB 7 idF vom 7.8.1996 iVm § 14 Abs 4 Nr 4 SGB 11 idF vom 26.5.1994 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27.04.2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid vom 30.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, den Bescheid vom 10.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall der Klägerin vom 18.05.2008 ein Arbeitsunfall ist.

2. Die Beklagte erstattet der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die beklagte U. wendet sich mit ihrer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem das Sozialgericht Mannheim (SG) auf einen Überprüfungsantrag der Klägerin hin - zum zweiten Male - einen Unfall vom 18.05.2008 als versicherten Arbeitsunfall festgestellt hat.

Die Klägerin ist im Jahre 1952 geboren, verheiratet und wohnt seit vielen Jahren im N. in S. im R.-N.-K. Sie war nach eigenen Angaben zurzeit des Unfalls griechische Staatsangehörige, später wurde sie Deutsche.

Die Eltern der Klägerin, S. (geb. 1927) und T. (geb. 1925) T., wohnten ebenfalls in S., im L. Sie hatten der Klägerin und ihrem Ehemann (Schwiegersohn) im Jahre 1996 notariell beurkundete Generalvollmachten erteilt. Ab dem 01.08.2002 hatte die Pflegekasse der AOK Baden- Württemberg bei der Mutter der Klägerin Pflegestufe I anerkannt. Es wurde Pflegegeld gewährt. Ab diesem Tag war auch die Klägerin ehrenamtliche Pflegeperson bei der Pflegekasse gemeldet, die auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für sie abführte. Der Vater hatte während eines Krankenhausaufenthalts im März 2008 ebenfalls Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt, über den zurzeit des Unfalls am 18.05.2008 noch nicht entschieden war. Nach einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 29.05.2008, bei der auch die Klägerin befragt wurde, erkannte die Pflegekasse mit nicht aktenkundigem Bescheid bei dem Vater rückwirkend ab dem 01.03.2008 Pflegestufe I an, wiederum wurde die Klägerin als ehrenamtliche Pflegeperson gesetzlich rentenversichert. Mit Bescheid vom 15.10.2008 wurde Pflegestufe II ab September 2008 anerkannt.

Am Sonntag, dem 18.05.2008, hielt sich die Klägerin - wie üblich - vormittags in der Wohnung ihrer Eltern auf. Die Mutter war durcheinander und verwirrt, der Vater hatte wegen eines gelockerten Zahnes Schmerzen. Sein Zahnarzt, der Zeuge Dr. M.-B., hatte ihm am 13.05.2008 das Schmerzmittel Dolomo (Packungsgröße N1) verordnet, dieses Medikament war aufgebraucht. Die Klägerin hatte am Donnerstag bzw. Freitag zuvor für ihre Eltern Lebensmittel eingekauft. Der Vater wollte jedoch wegen seiner Schmerzen nichts essen.

Entweder von der Wohnung ihrer Eltern oder nach einer zwischenzeitlichen Rückkehr in ihre eigene Wohnung von dort aus (die Klägerin und die Zeugen schilderten den genauen Ablauf später uneinheitlich) machte sich die Klägerin in der Mittagszeit mit dem Fahrrad auf den Weg zu ihrem Bekannten, dem Zahnarzt Dr. R. S., der zugleich Jäger war. In dem Haus Dr. S. in der A. in H. traf sie nur dessen Ehefrau an, die Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. A. S. Diese übergab ihr Reh-Innereien (Rehherz und Rehleber) aus einer Jagdbeute ihres Mannes. Außerdem gab sie ihr - wegen der Zahnschmerzen des Vaters - eine Packung Dolomo (N1) mit.

Auf dem anschließenden Rückweg mit dem Fahrrad von H. nach S. stürzte die Klägerin - nach ihren Angaben - gegen 13.50 Uhr auf dem Radweg „G. M.“ entlang der E. aus ungeklärten Gründen mit dem Rad und zog sich eine Tibiakopffraktur links und eine Prellung des linken Ellenbogens zu. Nach ihren Angaben fanden sie Passanten, die einen Rettungswagen alarmierten. Die Klägerin wurde gegen 14.15 notfallmäßig in das Klinikum S. eingeliefert (Notfallbericht von diesem Tage). Die Fraktur wurde am selben Tage mit einem gelenküberbrückenden Fixateur behandelt, am 26.05.2008 erfolgte nach Konsolidierung der Weichteile eine osteosynthetische Versorgung mit einer eingeschobenen Platte und einer Spongiosa-Plastik (Auskunft von Dr. V. vom 05.06.2008).

Nach seinen späteren Zeugenaussagen im ersten Berufungsverfahren (02.02.2012) holte der Ehemann der Klägerin die Wildinnereien und das Schmerzmittel am 18.05.2008 nachmittags im Krankenhaus ab und brachte diese zu seinen Schwiegereltern. Er besuchte anschließend die Klägerin erneut im Krankenhaus u...

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