Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines bei einer Pflegetätigkeit erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall - hauswirtschaftliche Versorgung

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines nach § 44 SGB 10 zur Überprüfung gestellten Bescheides ist maßgeblich der Zeitpunkt seines Erlasses. Zur Beurteilung dessen etwaiger Fehlerhaftigkeit kommt es dabei auf den Stand der Erkenntnis bei der Überprüfung an.

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB 7 sind Pflegepersonen bei der Pflege eines Pflegebedürftigen versichert. Die dabei versicherte Tätigkeit umfasst u. a. Pflegetätigkeiten der hauswirtschaftlichen Versorgung. Als Hilfeleistung in diesem Bereich werden u. a. Tätigkeiten des Einkaufens berücksichtigt.

3. Für das Bestehen von Unfallversicherungsschutz bei einer versicherten Pflegetätigkeit ist entscheidend, ob bei der unfallbringenden Tätigkeit eine betriebsbezogene, Versicherungsschutz gewährende Handlungstendenz vorliegt.

4. Die Besorgung von Nahrungsmitteln für den zu Pflegenden dient wesentlich der Pflegeverrichtung und steht infolgedessen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB 7 unter Unfallversicherungsschutz. Verunglückt die Pflegeperson auf der Fahrt zur Abholung der Nahrungsmittel, so liegt ein versicherter Arbeitsunfall vor.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 30.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.05.2017, der Bescheid vom 18.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2013 und der Bescheid vom 10.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.02.2009 werden aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Unfall vom 18.05.2008 ein Arbeitsunfall ist.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X die Feststellung eines Fahrradunfalls als eines im Rahmen einer als Pflegeperson versicherten Verrichtung eingetretenen Arbeitsunfalles.

Die am … geborene Klägerin, zunächst griechische seit dem 07.03.2011 aber deutsche Staatsbürgerin, pflegte ihre Eltern, die Mutter … bei der seit 2002 ein Pflegebedarf nach Pflegestufe I anerkannt wurde (zum Pflegegutachten Blatt 79/87 der Beklagtenakte; zur Pflege durch die Klägerin vgl. die Auskunft der … Blatt 25/29 der Beklagtenakte), und den mittlerweile verstorbenen Vater …, dem auf seinen Antrag vom März 2008 durch Bescheid vom 15.10.2008 Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe I seit März 2008 und Pflegestufe II seit September 2008 zuerkannt wurde (zu den Pflegegutachten vgl. Blatt 89/88 und 99/107 der Beklagtenakte; zur Pflege durch die Klägerin vgl. die Auskunft der …, Blatt 69/72 der Beklagtenakte).

Am 18.05.2008, einem Sonntag, war die Klägerin vormittags in der Wohnung ihrer Eltern. Die Mutter war durcheinander und verwirrt, der Vater hatte wegen eines gelockerten Zahnes Schmerzen. Das einige Tage zuvor (am 13.05.2008) vom Zahnarzt des Vaters, …, verordneten Schmerzmittel Dolomo war aufgebraucht. Die Klägerin hatte am Donnerstag bzw. Freitag zuvor für ihre Eltern bereits Lebensmittel eingekauft. Der Vater wollte jedoch wegen seiner Schmerzen am Sonntag, dem 18.05.2008, zunächst nichts essen.

Als die Klägerin von ihren Eltern nach Hause kam, fand sie einen von ihrem Ehemann für sie hinterlassenen Zettel vor, dass bei ihren Bekannten, den Eheleuten … (Rehherz und Rehleber) zur Abholung bereitlägen. Die Klägerin machte sich daraufhin mit dem Fahrrad auf den Weg zu den …. Sie hielt zunächst bei ihren Eltern, deren Haus auf dem Weg lag. Von dort aus fuhr sie mit dem Fahrrad weiter und traf im Haus von den …, …, eine Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, an, die ihr die Rehinnereien aushändigte. Von der Klägerin darauf angesprochen, gab sie dieser noch eine Packung Dolomo, ein rezeptpflichtiges Schmerzmittel, für den Vater der Klägerin mit.

Auf dem anschließend mit dem Fahrrad zurückgelegten Weg von … zu ihren Eltern stürzte die Klägerin aus ungeklärten Gründen und zog sich eine Tibiakopffraktur links und eine Prellung des linken Ellenbogens zu. Zunächst wurde die Fraktur mit einem gelenküberbrückenden Fixateur behandelt. Im Weiteren musste das Knie mit einer TEP versorgt werden, eine posttraumatische Arthrose wurde diagnostiziert (Arztbrief der … vom 05.08.2009, Blatt 179 der Beklagtenakte).

Am Nachmittag des Unfalltages holte der Ehemann der Klägerin, …, die Wildinnereien und das Schmerzmittel bei der Klägerin im Krankenhaus ab und brachte diese zu deren Eltern. Er besuchte anschließend die Klägerin erneut im Krankenhaus und erhielt dort den Auftrag, die Innereien für die Eltern zuzubereiten. Daher kehrte er zu den Eltern der Klägerin zurück und bereitete die Innereien am Abend des 18.05.2008 den Eltern der Klägerin zu, die diese verspeisten.

Am 09.06.2008 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige und begleitend jeweils ausgefüllt ein Wegeunfall-Fragebogen, ein Beiblatt zum Wegeunfall-Fragebogen und ein Pflege-Fragebogen ein Blatt 1 ff. der Beklagtenakte). Alle Dokumente datierten vom 06.06.2008 und waren von der Klägerin unterzeichnet, mit Ausnahme der U...

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