Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Beendigung der Antragspflichtversicherung für Selbständige. Verfassungsrecht. Befreiung von der Versicherungspflicht nur bei selbständigen Gewerbetreibenden in zulassungspflichtigen Handwerksbetreiben
Leitsatz (amtlich)
1. Die auf Antrag des Berechtigten begründete Versicherungspflicht nach § 4 Abs 2 SGB 6 tritt Kraft Gesetzes ein und kann nicht durch Rücktritt, Widerruf oder Kündigung beendet werden.
2. Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, allen Selbständigen den freiwilligen Austritt aus der auf Antrag eingetretenen Versicherungspflicht nach § 4 Abs 2 SGB 6 zu ermöglichen.
3. Von der Versicherungspflicht können nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 nur solche selbständigen Gewerbetreibenden in Handwerksbetrieben befreit werden, die als zulassungspflichtige Handwerke in der Handwerksrolle Anlage A eingetragen sind; zulassungsfreie Handwerke (Anlage B der Handwerksrolle) unterfallen nicht dem Befreiungstatbestand des § 6 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aus der von ihr beantragten und von der Beklagten mit Bescheid vom 15. Januar 1998 festgestellten Versicherungspflicht auf Antrag für Selbständige (§ 4 Abs. 2 SGB VI) mit Wirkung ab dem 1. Juni 2008 zu entlassen ist bzw. die Antragspflichtversicherung beendet ist.
Die Juni 1963 in P. geborene Klägerin - ihr war von der zuständigen Behörde ein Grad der Behinderung von 30 wegen eines Knieschadens zuerkannt worden - war bis zum Dezember 1997 in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert. Am 22. Dezember 1997 nahm sie eine selbständige Tätigkeit auf, die sie im Rahmen der Gewerbeanmeldung der Gemeinde St. vom 15. Dezember 1997 als “Agentur für Direktmarketing und Lettershop" bezeichnete. Seit dem 4. Januar 2010 ist die Klägerin bei der Handwerkskammer K. im Bereich “Buchdruck, Schriftsetzer, Drucker-Handwerk„ in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke eingetragen.
Am 10. Dezember 1997 ließ sich die Klägerin von Mitarbeitern der Auskunfts- und Beratungsstelle (AuB-Stelle) der Beklagten in Pf. telefonisch beraten. Am 12. Dezember 1997 war die Klägerin zu einem Beratungsgespräch persönlich in der AuB-Stelle in Pf.. In der Folge stellte die Klägerin am 14. Dezember 1997 bei der Beklagten einen Antrag auf Beitragszahlung zur Arbeiterrentenversicherung für eine Pflichtversicherung von selbständig Tätigen (§ 4 Abs. 2 SGB VI). Am 18. Dezember 1997 erfolgte eine weitere telefonische Beratung der Klägerin.
In ihrem Antrag gab die Klägerin an, am 22. Dezember 1997 eine selbständige Tätigkeit über 18 Stunden wöchentlich aufzunehmen. Die Pflichtbeiträge sollten nach einem Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vom Hundert der Bezugsgröße (halber Regelbeitrag) bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gezahlt werden.
Mit Bescheid vom 15. Januar 1998 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab dem 22. Dezember 1997 nach § 4 Abs. 2 SGB VI versicherungspflichtig ist und ein monatlicher Beitrag in Höhe von 144,47 DM zu zahlen sei, wobei dieser Betrag dem anteiligen halben Regelbeitrag entspreche. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Versicherungspflicht unwiderruflich und ein Verzicht, d.h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht nicht möglich sei. Die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht wegfallen. Die Klägerin wurde deshalb darauf hingewiesen, die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Der Bescheid enthielt eine zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung.
Im Februar 2006 geriet die Klägerin mit der Zahlung der monatlichen Beiträge in Rückstand. Nachdem die Beklagte die Zahlung der Beiträge anmahnte, teilte die Klägerin der Beklagten am 27. April 2006 telefonisch mit, dass sie aus der Versicherungspflicht aussteigen wolle. Ihr wurde daraufhin von Seiten der Beklagten erklärt, dass die Versicherungspflicht nicht beendet werden könne und die Zwangsvollstreckung wegen der Beitragsrückstände durchgeführt werde. Zudem wurde die Klägerin auf die Zahlung einkommensgerechter Beiträge für die Zukunft hingewiesen. Die Klägerin überwies in der Folge am 27. April 2006 und am 28. September 2006 Beiträge in einer Höhe, die zum Ausgleich der Beitragsrückstände führten.
Mit Schreiben vom 19. März 2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie aus der Rentenversicherung “wegen Falschberatung" entlassen werden wolle. Sie habe im Jahr 1997 nur den Mindestbeitrag bezahlen wollen, “um den Frührentenschutz zu behalten". Bei der damaligen Beratung sei ihr bejaht worden, dass sie die Rentenversicherung jederzeit kündigen könne. Nur deshalb habe sie einen entsprechenden Antrag unterschrieben.
Unter dem Datum des 3. April 2007 wies d...