Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Beitragsbemessung. keine Minderung der Beitragsbelastung aufgrund des Aufwands für Betreuung und Erziehung von Kindern. Verfassungsmäßigkeit. Bedeutung des generativen Beitrags. Pflegevorsorgefonds
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, für Eltern wegen des Erziehungs- und Betreuungsaufwandes für Kinder (sog. generativer Beitrag) geringere Beiträge zur Sozialversicherung vorzusehen (Anschluss an BSG vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R = BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77).
2. Der generative Beitrag ist für die gesetzliche Rentenversicherung auch nicht systemspezifisch.
Orientierungssatz
Es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Regelungen zum Pflegevorsorgefonds eine unzulässige Gleichbehandlung der Versicherten mit und ohne Kinder darstellen sollten. Es handelt sich um Regelungen zur Mittelverwendung, die der Generationengerechtigkeit dienen und die Nachhaltigkeit der sozialen Pflegeversicherung sichern sollen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Mannheim vom 11.07.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand der Klägerin für ihre Kinder zu reduzieren sind.
Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca 3.052 € beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist Mutter der Kinder M. (geb 28.04.2001) und K. (geb 29.03.2003).
Mit Schreiben vom 14.02.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten als Einzugsstelle eine verfassungskonforme Beitragsreduzierung der Beiträge zur GRV, GKV und sPV. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe am 03.04.2001 (1 BvR 1629/94 ua) entschieden, dass es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, dass Mitglieder der sPV, die Kinder betreuten und erzögen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder. Mit der Erhöhung der Pflegebeiträge für Kinderlose um 0,25 Prozentpunkte habe der Gesetzgeber gleich den nächsten Verfassungsverstoß begangen. Der Gesetzgeber sei im “Kinderbeitragsurteil„ beauftragt worden, die Frage der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung auch für die GKV und GRV zu prüfen. Seit über 20 Jahren werde die doppelte Beitragsleistung der Familien vom Gesetzgeber ignoriert. Sie sei nicht bereit, diese verfassungswidrige Benachteiligung auch nur einen Tag länger hinzunehmen und beantrage daher, bei der Beitragserhebung die Erziehungsleistung für die zwei Kinder zu berücksichtigen. Mit weiterem Schreiben vom 05.04.2015 führte die Klägerin aus, dass sie den Anspruch wegen der Beschränkung der Rückwirkung auch für die letzten vier Jahre geltend mache und sich zudem ab 01.01.2015 auch auf die Abführung von Beitragsmitteln zum Pflegevorsorgefonds stütze. Der Gesetzgeber entkoppele damit die Freiheit eines kinderlosen Lebensentwurfs von der Verantwortung für dessen Folgen und beinhalte eine gleichheitswidrige Belastung im Vergleich zu Kinderlosen.
Mit Bescheid vom 27.05.2015 stellte die Beklagte fest, dass sich die Beiträge der Klägerin (Arbeitnehmeranteil) ab 01.03.2015 auf 257,14 € GKV, 37,30 € sPV und 296,81 € GRV beliefen. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfe die Beklagte die Beiträge nicht senken.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.06.2015 Widerspruch ein. Der Gesetzgeber habe nunmehr mit dem Pflegestärkungsgesetz zum 01.01.2015 die Pflegebeiträge unterschiedslos für Eltern und Nichteltern um 0,3 Prozentpunkte erhöht; der Verfassungsskandal werde noch dadurch potenziert, dass 0,1 Prozentpunkte dieser Beitragserhöhung seitdem in einen zu dem Zweck eingerichteten Pflegevorsorgefonds flössen, um die aus der kollektiven Alterung resultierenden künftigen Beitragssatzerhöhungen zu dämpfen. Ursache für die demografisch bedingten Beitragssatzerhöhungen sei die zunehmende Kinderlosigkeit, für die sie als Mutter von zwei Kindern nicht verantwortlich sei.
Mit Ergänzungsbescheid vom 31.07.2015 entschied die Beklagte, dass auch für die Zeiträume 2011 bis 2014 sowie ab 01.01.2015 fortlaufend eine Senkung der Beiträge nicht möglich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, die Beitragsbemessung aus dem Arbeitsentgelt sei entsprechend der geltenden Rechtslage erfolgt. Die Beklagte sei in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle an die gesetzlichen Vorgaben gebunden.
Hiergegen richtet sich die am 04.11.2015 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.
Mit Gerichtsbescheid vom 11.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Beiträge ...