Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistungen
Orientierungssatz
1. Die Höhe der Regelleistungen nach § 20 SGB 2 sowie das Verfahren der Regelsatzbemessung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Den verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich aus der unterschiedlichen Regelung im SGB 2 einerseits - nur Darlehensgewährung bei unabweisbarem Bedarf (§ 23 Abs 1 S 1 SGB 2) - und dem SGB 12 andererseits - individuelle Berücksichtigung des unabweisbaren Bedarfs abweichend vom Regelsatz (§ 28 Abs 1 S 2 SGB 12) - herleiten, könnte durch eine Modifizierung der durch § 23 Abs 1 S 3 SGB 2 eröffneten Aufrechnungsbefugnis begegnet werden.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.06.2006 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.
Der 1956 geborene Kläger ist Eigentümer einer von ihm selbst bewohnten Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche. Er hat zwei 1995 und 1996 geborene Kinder, für die er jeweils einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 251 Euro zu zahlen hat.
Auf den Antrag des Klägers bewilligte die Beklagte dem Kläger für die erste Jahreshälfte 2005 zunächst mit Bescheid vom 22.11.2004 die Regelleistung in Höhe von 345 Euro zuzüglich 77,47 Euro monatlich für Kosten der Unterkunft und Heizung. Auf den Widerspruch des Klägers vom 20.12.2004 wurde die Leistung durch Änderungsbescheid der Beklagten vom 03.03.2005 für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2005 auf monatlich 503,36 Euro festgesetzt (Regelleistung in Höhe von 345 Euro zuzüglich 158,36 Euro Nebenkosten der Eigentumswohnung einschließlich Wohngeld). Den darüber hinausgehenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 29.03.2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Die Leistungen nach dem SGB II seien im Vergleich zu der zuvor bezogenen Arbeitslosenhilfe in unzulässiger Weise zu gering bemessen. Abzüglich seiner Unterhaltsverpflichtungen bliebe ihm kaum noch etwas zum Leben. Der durch die Kürzungen verursachte Sozialabbau sei kontraproduktiv und missachte seine Kinder. Die Festlegung des Regelsatzes auf einen Betrag von 345 Euro widerspreche Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG -) sowie dem verfassungsrechtlich durch die Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Mindestbedarf.
Während des Klageverfahrens wurde dem Kläger mit Folgebescheiden vom 30.05.2005 (für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.12.2005) und vom 01.12.2005 (für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.2006) die Leistung jeweils in unveränderter Höhe weiterbewilligt.
Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30.06.2006 als unbegründet abgewiesen. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Beklagte Leistungen nach dem SGB II in der dem Gesetz entsprechenden Höhe bewilligt habe. Soweit der Kläger die Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Regelungen des SGB II rüge, sei das SG nicht hiervon überzeugt, weswegen eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG ausscheide. Der Gerichtsbescheid des SG wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 04.07.2006 zugestellt.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 03.08.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin die Verfassungswidrigkeit der ihrer Auffassung nach zu gering bemessenen Leistungen nach dem SGB II geltend machen. Auf die umfangreichen Ausführungen der Klägerbevollmächtigten in deren Schriftsatz vom 21.09.2006 wird Bezug genommen; im wesentlichen rügen die Klägerbevollmächtigten, dass die Höhe des Regelsatzes von 345 Euro, welcher das soziokulturelle Minimum der Sozialhilfe abbilden solle, nicht nachvollziehbar sei und vielmehr den Eindruck erwecke, den Bedürfnissen des Staatshaushaltes genüge zu tragen. Das Verfahren zur Ermittlung des Regelsatzes sei weder nachvollziehbar noch konsequent. Wenn auch die Pauschalisierung von Sozialleistungen grundsätzlich möglich sei, müsse der pauschalisierte Betrag jedoch mit der gebotenen Sorgfalt vollständig und genau ermittelt werden (unter Hinweis auf, unter anderem, BVerwGE 69, 146, 158; 94, 326, 331; 108, 221, 227). Sofern konkrete Bedarfsdaten zugrunde gelegt worden seien, seien diese bereits sieben Jahre alt gewesen. Das aktuelle soziokulturelle Minimum werde daher durch die Regelleistungen des SGB II nicht gewährleistet.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.06.2006 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 22.11.2004 und 03.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 30.05.2005 und 01.12.2005 abzuändern und die Beklagte zu v...