Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. Abgrenzung zum Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen. materielle Beweislast für das Bestehen eines Sozialhilfeanspruchs. fehlende Feststellungen zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Nothelfers nach § 25 SGB XII besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger vom Leistungsfall keine Kenntnis hat. Nach Kenntnis des Sozialhilfeträgers sind Ansprüche auf Sozialhilfe allein im Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Sozialhilfeträger geltend zu machen.

2. Der Nothelfer trägt die materielle Beweislast dafür, dass der geltend gemachte Anspruch des Hilfebedürftigen - vorliegend Hilfe bei Krankheit (§ 19 Abs 3 SGB XII) - besteht.

3. Es ist nicht möglich, einen Nothelfer ohne konkrete Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Hilfebedürftigen nach den Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im Wege einer Amtshandlung so zu stellen, als sei dieser nach Maßgabe der §§ 82 ff, 90 SGB XII tatsächlich hilfebedürftig gewesen.

 

Normenkette

SGB XII § 25 Abs. 1 Sätze 1-2, § 1 Abs. 1-2, § 3 Abs. 2, §§ 18, 19 Abs. 3, § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 3; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13; SGB I §§ 14-15; SGG § 54 Abs. 1, 4, §§ 56, 95; SGB X § 20

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. August 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der klagenden Krankenhausgesellschaft auf Zahlung der Aufwendungen für die Behandlung der B.-L. C. (im folgenden C.).

Die 1993 geborene C. ist rumänische Staatsangehörige. Sie wurde am 28. Juni 2014 (Samstag) um 21.38 Uhr mit der Diagnose Hämoptyse (Bluthusten) in der Medizinischen Klinik II des von der Klägerin getragenen Städtischen Klinikums K. (alleiniger Gesellschafter der gGmbH ist die Beklagte) stationär aufgenommen. Bei der Aufnahme legte sie keine Europäische Krankenversicherungskarte vor und gab an, sie halte sich seit ca. zwei Wochen in der Bundesrepublik Deutschland zu Besuch auf und wohne in der E.-Straße 8 in ... K.. Zuvor habe sie in R. gelebt. Sie sei weder in Rumänien noch in der Bundesrepublik Deutschland krankenversichert und nicht speziell für die Behandlung eingereist. Sie und ihre Angehörigen könnten “vielleicht„ den normalen Lebensunterhalt finanzieren, aber nicht die zusätzlichen Kosten einer Krankenhausbehandlung. Am 2. Juli 2014 wurde C. um 12.13 Uhr aus der stationären Behandlung entlassen. Die Klägerin rechnete für ihre Leistungen unter Berücksichtigung der Hauptdiagnose “Lungentuberkulose, durch sonstige und nicht näher bezeichnete Untersuchungsverfahren gesichert„ (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme ≪ICD-10≫ A15.3) und der Nebendiagnosen “Nichtbefolgung ärztlicher Anordnungen (Non-compliance) in der Eigenanamnese (ICD-10 Z91.1) sowie “Isolierung als prophylaktische Maßnahme„ (ICD-10 Z29.0) die Fallpauschale “Tuberkulose bis 14 Belegungstage ohne äußerst schwere oder schwere CC oder Pneumothorax„ mit Zuschlägen in Höhe von insgesamt 3.168,19 € ab (Rechnung vom 7. Juli 2014, Bl. 25/28 der Sozialgerichts-Akten) ab. C. leistete keine Zahlungen auf die Forderung der Klägerin gem. Rechnung vom 7. Juli 2014.

Am 30. Juni 2014 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass sie C. am 28. Juni 2014 notfallmäßig aufgenommen habe und bat um Übernahme der anfallenden Krankenhauskosten nach § 25 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII). Am 14. Juli 2014 beantragte die Klägerin erneut Kostenübernahme nach § 25 SGB XII und legte einen von C. unterschriebenen “Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII und SGB II„ vom 28. Juni 2014 vor, in dem C. als Wohnanschrift die Adresse E.-Straße 8 in ... K. angegeben und auf einen nicht bestehenden Versicherungsschutz in Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen hatte. Das Jobcenter der Stadt K. lehnte den Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ab (Bescheid vom 17. Juli 2014). Die A. Baden-Württemberg - Mittlerer O. - stellte fest, dass C. nicht Mitglied der A. Baden-Württemberg sei und eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht bestehe (Bescheid vom 22. August 2014). Der rumänische Sozialversicherungsträger teilte der Klägerin mit, dass C. dort nicht krankenversichert sei (E-Mail vom 18. August 2014).

Eine Anfrage der Beklagten beim Einwohnermeldeamt ergab, dass C. sich am 17. April 2014 aus ... O. kommend mit der Hauptwohnung E.-Straße 6 in ... K. angemeldet hatte. Mit Schreiben vom 21. Juli 2...

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