Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. Vollbeweis. ungeklärte Umstände. keine Beweiserleichterung: kein enger räumlicher Zusammenhang. Unfallort: außerhalb des Betriebsgeländes. fünf bis sieben Meter entferntes Nachbargelände
Leitsatz (amtlich)
Verunglückt ein Arbeitnehmer unter ungeklärten Umständen nicht an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt eine betriebliche Arbeit verrichtet hat (hier: Unkrautjäten auf dem erdbedeckten Dach eines Tanklagers), sondern durch einen Sturz fünf bis sieben Meter von seinem Arbeitsplatz entfernt vom Dach eines unmittelbar angrenzenden fremden Betriebes, steht er nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.12.2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.485,26 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt 7/9, die Klägerin 2/9 der Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 4.560,47 € festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Berufsgenossenschaft begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von 4.560,47 € für erbrachte Leistungen (stationäre Krankenhausbehandlung, Transportkosten, Heilmittel, Verletztengeld einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) an den 1971 geborenen R. B. (im Folgenden: B) im Zeitraum 19.06. bis 04.09.2009.
Der bei der Beklagten krankenversicherte B war bei der B. F. GmbH in F. als Arbeiter beschäftigt und als solcher bei der Klägerin gesetzlich unfallversichert. Am 19.06.2009 entfernte er entsprechend eines ihm erteilten Auftrags Unkraut von einem erdbedeckten Tanklager auf dem Betriebsgelände seiner Arbeitgeberin. Bei dem Tanklager handelt es sich um einen Gastank mit mehreren Meter hohen senkrechten Betonwänden und darüber angelegter Erdböschung. Die Erdböschung ist über eine feste installierte Steigleiter und eine weitere Anlegeleiter zu erreichen. Das Tanklager grenzt unmittelbar an ein Lagergebäude des Nachbarbetriebs, dessen Dach in Höhe des rückwärtigen Fußes der Erdböschung des Tanklagers an dieses anschließt. Das Dach ist bis auf eine vom Tanklager ca 7 Meter entfernte Lichtluke aus Kunststoff mit Eternit gedeckt. Gegen 15:00 Uhr brach B durch die Lichtluke und stürzte auf eine darunter stehende Steinschneidemaschine. Hierbei erlitt er ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Gehirnerschütterung, einer Risswunde am Kopf, eine Nasenbeinfraktur, eine Orbitadachfraktur (Fraktur der Augenhöhle) links mit Lufteinschluss in der Orbita, verschiedene Hämatome am Kopf, eine Schulterblattfraktur links, eine Handgelenksprellung sowie eine Halswirbelsäulendistorsion. An den Unfallhergang und den Grund für das Betreten des Nachbardaches hat B keinerlei Erinnerung; Zeugen für den Unfallhergang gibt es nicht.
Am Unfalltag wurde B mit einem Rettungswagen in das Universitätsklinikum F. gebracht, wo er bis zum 24.06.2009 stationär behandelt wurde. Vom 01.08. bis 14.08.2009 bezog er Verletztengeld. In der Zeit vom 24.07. bis 04.09.2009 erfolgten krankengymnastische Behandlungen.
Mit an B gerichtetem bestandskräftigen Bescheid vom 11.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 lehnte die Klägerin die Anerkennung des Unfalls vom 19.06.2009 als Arbeitsunfall ab. Ein Arbeitsunfall liege nur vor, wenn bewiesen sei, dass zum Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichtet worden sei. Warum B das Dach der benachbarten Firma betreten habe, lasse sich nicht feststellen. Betriebliche Tätigkeiten habe er dort nicht zu verrichten gehabt. Der Vermutung des Arbeitgebers, B sei auf dem Rückweg von seiner Tätigkeit auf dem Tanklager gewesen, stehe entgegen, dass es vom Nachbardach keine Abstiegsmöglichkeit gegeben habe und das Werkzeug auf dem Erdwall zurückgelassen worden sei. Soweit B selbst vermute, beim Unkrautjäten habe sich plötzlich Wurzelwerk gelöst, weshalb er rückwärts auf das Nachbargrundstück gestürzt sein könne, erscheine dies wenig wahrscheinlich, da sich die Absturzstelle mehrere Meter von der Böschung des Tanks und damit zu weit entfernt befinde.
Mit Schreiben vom 30.07.2009 meldete die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Mit weiteren Schreiben vom 27.08.2009, 15.09.2009, 13.11.2009, 12.01.2010, 05.03.2010 und 04.06.2010 bezifferte die Klägerin den Anspruch wegen Erstattung der von ihr erbrachten Leistungen für Krankentransport, stationäre Krankenhausbehandlung, Krankengymnastik und Verletztengeld einschließlich Sozialversicherungsbeiträge und mahnte die Erstattung an. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab, zuletzt mit Schreiben vom 09.06.2010.
Am 06.07.2010 hat die Klägerin zum Sozialgericht Mannheim (SG) Leistungsklage gegen die Beklagte erhoben auf Zahlung von 4.560,47 €. Die Aufwendungen setzen sich wie folgt zusammen: stationäre Behandlung 19. bis 24.06.2009 1.740,76 €, Transportkosten 590,84 €, Krankengymnastik 1.264,30 €, Verletztengeld 672,00 €, Rehabeiträge (ALV...