Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. keine durchbrechungsfähige Rechtskraftwirkung. abweisendes Urteil. begehrte Feststellung einer Berufskrankheit gem § 55 Abs 1 Nr 3 SGG. keine Überprüfungsmöglichkeit gem §§ 44ff SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Weist das Sozialgericht eine Klage auf gerichtliche Feststellung einer bestimmten Berufskrankheit (§ 55 SGG) ab, steht mit Rechtskraft dieses Urteils (§ 141 SGG) das Gegenteil der begehrten Feststellung fest, nämlich dass diese Berufskrankheit beim Versicherten nicht vorliegt. Diese Rechtskraftwirkung ist - anders als bei Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw Leistungsklagen - nicht durch § 44 SGB 10 eingeschränkt. Dies bedeutet zugleich, dass der zuvor ergangene, diese Berufskrankheit ebenfalls ablehnende Bescheid nicht rechtswidrig war und somit nicht nach § 44 SGB 10 zurückzunehmen ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15.07.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Feststellung seiner Lebererkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101, 1302, 1306 oder 1316 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), hilfsweise die Feststellung als Wie-BK.
Der am 1960 geborene Kläger leidet an einer Fettleber (Steatosis hepatis). Er führt diese Erkrankung auf die Belastungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten in den Jahren 1977 bis ca. 1997 zurück. Vor allem geht es um Tätigkeiten als Maler und Lackierer (mit Unterbrechungen von 1977 bis 1991) und eine abhängige Beschäftigung, nachfolgend auch selbstständige Tätigkeit, in der Leuchtmittelwerbung für Tankstellen (1992 bis 1997 - so die Angaben des Klägers Bl. 226 f. VA).
Erste Beschwerden bemerkte der Kläger im Jahr 1983. Im Jahr 1986 wurden erhöhte Leberwerte festgestellt. Seither schreitet die Erkrankung fort. Aktuell ist bei zwischenzeitlich diagnostizierter Leberzirrhose und Ösophagusvarizen mit mehrmaligen Varizenblutungen eine Lebertransplantation geplant. Dem Kläger, der einen übermäßigen Alkoholkonsum stets verneinte und dessen CDT-Wert als Hinweis auf eine äthyltoxische Genese wegen einer selten vorkommenden Transferrinvariante nicht sicher bestimmbar ist (Gutachten Dr. B. , Bl. 415f. VA), wurde wiederholt eine Alkoholkarenz empfohlen (zuletzt Arztbrief Prof. Dr. Sch. , Medizinische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität M. vom 22.01.2010, Bl. 25 LSG-Akte).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2005 die Anerkennung einer BK oder Wie-BK ab. Sie stützte sich dabei u.a. auf das Gutachten des Direktors des Instituts und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums H. Prof. Dr. T. vom Juni 2004, der eine berufliche Verursachung der Lebererkrankung zwar für möglich, jedoch insbesondere auf Grund des Verlaufs der Erkrankung nach Ende der Exposition - in der Regel könne man davon ausgehen, dass sich eine toxische Leberschädigung bessere oder sich sogar vollständig zurückbilde, wenn die verursachende Noxe nicht mehr einwirke oder nicht mehr im Körper vorhanden sei - nicht für wahrscheinlich erachtete.
Die vom Kläger beim Sozialgericht Freiburg erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage (S 9 U 4846/05) wies das Sozialgericht mit Urteil vom 24.03.2009 ab. Es sah sich nicht in der Lage, eine der vom Kläger zur Feststellung beantragten BKen (BK 1101 Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen, 1302 Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, 1306 Erkrankungen durch Methylalkohol (Methanol) und 1316 Erkrankungen der Leber durch die Dimethylformamid (DMF) oder - wie hilfsweise beantragt - eine Wie-BK festzustellen. Es stützte sich dabei auf das im Jahr 2008 im gerichtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. B. . Dieser ging, gestützt auf die Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten (Stellungnahmen der Mitarbeiterin Z. vom 18.01.2005 Bl. 191 VA und des Dipl.-Ing. K. vom 21.02.2005 Bl. 198 VA), selbst unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Expositionen mit den oben genannten Stoffen nicht vom Nachweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen aus und sah auch in medizinischer Hinsicht keine Wahrscheinlichkeit für einen beruflichen Zusammenhang. Er bestätigte die zuvor schon von den behandelnden Ärzten gestellte Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatosis hepatitis (NASH) unklarer Ätiologie. Neue Erkenntnisse in der medizinischen Wissenschaft darüber, dass Maler und Lackierer ein erhöhtes Risiko gegenüber der übrigen Bevölkerung für die Entwicklung der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen haben, lägen nicht vor. Das Urteil des Sozialgerichts wurde - nach Rücknahme der vom Kläger erhobenen Berufung (L 2 U 2878/09) - rechtskräftig.
Im November 2009...