Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Krankenversicherung. Streit um Vergütungsforderung für Dauerbeatmung im Rahmen häuslicher Krankenpflege aufgrund Schiedsspruch. Durchsetzung mittels allgemeiner Leistungsklage. Geltendmachung ausgeschlossen, solange Schiedsspruch noch nicht fertiggestellt oder während anschließendem gerichtlichen (Ersetzungs- bzw Feststellungs-)Verfahren. Fälligkeit der Forderung beginnt erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Anwendungsbereich von § 86a SGG nicht eröffnet

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Durchsetzung eines Anspruchs aufgrund eines Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 S 6 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; seither: § 132a Abs 4 S 9 SGB V) steht dem Gläubiger allein die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zu.

2. Solange der Schiedsspruch noch nicht fertiggestellt ist oder während eines sich daran anschließenden gerichtlichen (Ersetzungs- bzw Feststellungs-)Verfahrens kann eine betroffene Forderung weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht werden.

3. Die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs hat zur Folge, dass die Fälligkeit der betroffenen Forderung erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung beginnt (BGH vom 4.7.2013 - III ZR 52/12). Diese in der zivilgerichtlichen Judikatur entwickelten und von der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung (VGH Mannheim vom 11.2.2016 - 5 S 1098/15) übernommenen Grundsätze sind auf Schiedssprüche nach § 132a Abs 2 S 6 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; seither: § 132a Abs 4 S 9 SGB V) vollumfänglich übertragbar.

 

Orientierungssatz

Der Anwendungsbereich von § 86a SGG (Widersprüche und Anfechtungsklagen) ist nicht eröffnet. Bei einer Klage gegen einen Schiedsspruch wegen geltend gemachter Unbilligkeit scheidet eine Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Neubescheidungsklage (§ 54 Abs 1, § 131 Abs 2 und 3 SGG) aus.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 20.396,25 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist eine vergütungsrechtliche Forderung wegen Dauerbeatmung einer Versicherten der Beklagten aus einem Schiedsspruch im Bereich der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.

Die Klägerin ist Mitglied im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und betreibt im Landkreis E. eine vollstationäre Pflegeeinrichtung in K. Hierbei handelt es sich um eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne von § 43 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zu den Leistungen zählen unter anderem palliative und Beatmungsleistungen. Im Zeitraum vom 24. August 2011 bis 9. Mai 2012 befand sich die bei der Beklagten Versicherte I.-J. M. (im Folgenden: die Versicherte) in vollstationärer Pflege bei der Klägerin. Aufgrund ärztlicher Verordnungen erhielt die Versicherte (Pflegestufe II) bei der Klägerin eine 24-stündige Dauerbeatmung im Rahmen von häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V. Hierzu wurde täglich ein von den Pflegedienstleistenden unterschriebenes Beatmungskontrollblatt mit medizinischen und behandlungstechnischen Angaben gefertigt. Am 9. Mai 2012 verstarb die Versicherte.

Für die im Rahmen der Dauerbeatmung erbrachten Leistungen berechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten 82 € pro Tag als „Mehraufwand im vollstationären Bereich“, ohne dass dies die Beklagte zuvor gesondert genehmigt hatte. Entsprechende Zahlungsaufforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 21.238 € blieben in der Folge erfolglos.

Mit Schreiben vom 18. September 2015 beantragte die Klägerin bei der Schiedsperson (M. Z.) im Rahmen eines Schiedsverfahrens gemäß § 132a SGB V - wegen der Versorgung der Versicherten - gegenüber der Beklagten eine zusätzliche Pflegevergütung in Höhe von 21.238 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 10. Mai 2012 festzusetzen. Zur Begründung gab die Klägerin an, die Beklagte verweigere zu Unrecht den Abschluss eines Vertrages über die Versorgung ihrer Versicherten mit Dauerbeatmung, indem sie von ihr (der Klägerin) den Nachweis einer separaten Beatmungsstation fordere. Eine solche Station könne nur dann wirtschaftlich betrieben werden, wenn die Krankenkassen sie regelmäßig mit dauerzubeatmenden Versicherten belege, was nicht der Fall sei. Die Versicherte habe aufgrund der Dauerbeatmung täglich mindestens fünf Stunden zusätzlich versorgt werden müssen, was Lohn- und Lohnnebenkosten i.H.v. 105 € pro Tag mit sich gebracht habe. Nach Anrufung des Sozialgerichts Stuttgart (SG) habe die Beklagte sich bereit erklärt, einen Vertrag abzuschließen. Hierzu sei es jedoch nicht gekommen, so dass ein Schiedsverfahren erforderlich sei.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen und beantragte, keine zusätzliche Vergütung fü...

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