Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit als Operateur in einer Privatklinik. Übernahme der stationären Behandlung und Betreuung der Patienten sowie Entlassungsmanagement durch Klinik. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Operateur in einer Privatklinik, der mit der stationären Aufnahme der Patienten in der Klinik deren Behandlungsmanagement in die Hände der Klinik übergibt, die mit den Patienten die stationären Behandlungsverträge abschließt und auch das Entlassungsmanagement und die Führung der Patientenakte übernimmt (hier: abhängige Beschäftigung).
Normenkette
SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1; SGB V § 121 Abs. 2; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; GewO § 30 Abs. 1; KHEntgG § 17 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 18 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Urteil vom 14.01.2022; Aktenzeichen S 9 BA 414/21) |
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Januar 2022 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Klägerin und des Beigeladenen im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als Operateur in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus streitig.
Die Klägerin betreibt eine Privatklinik ohne Versorgungsvertrag ( § 30 Gewerbeordnung (GewO)). Der Beigeladene, ist ausweislich der Homepage der Klägerin leitender Arzt in der Klinik der Klägerin. Seit dem 2. Januar 2020 ist er zudem Mitgesellschafter der privatärztlichen Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie GbR (vgl. Gesellschaftsvertrag vom 21. November 2019) und der A1 MVZ GmbH. Die privatärztliche Gemeinschaftspraxis unterhält keine Operationsräume, beschäftigt aber eigene Mitarbeiter. Der Beigeladene ist privat krankenversichert und seit dem 1. Oktober 2004 Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung zur Absicherung der Altersvorsorge.
Am 3. Februar 2020 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status hinsichtlich seiner Tätigkeit in der Klinik der Klägerin, die er als Operateur bezeichnete. In dem Antrag führte der Beigeladene aus, wenn er in der Ambulanz der Gemeinschaftspraxis die OP-Indikation seines Patienten stelle, nehme er Kontakt mit einem Krankenhaus und mit einem Anästhesisten auf. Mit dem Krankenhaus stimme er die Nutzung der OP-, Intensiv- und gegebenenfalls Stationskapazitäten ab. Er sei in seiner Entscheidung frei, wie viele und welche Patienten er operiere. Hinsichtlich der Durchführung der Operationen gebe es von Seiten der Klägerin keine Vorgaben. Als selbständiger Operateur sei er frei in der Anwendung einer OP-Technik sowie im Eingriffsbereich. Er müsse lediglich die gesetzlich geforderten Behandlungsdokumentationen durchführen. Auftraggeber sei nicht die Klägerin, sondern der Patient. Es seien weder regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten noch würden Vorgaben hinsichtlich der Arbeitszeit von der Klägerin gemacht. Es bestünden keine Dienstpläne und er nehme auch nicht an Besprechungen der Klinik teil. Ihm stehe es frei, wo er seine Patienten operiere. Operationen müssten in einem OP-Saal stattfinden, da nur dort die erforderlichen Strukturen sowie die erforderlichen hygienischen Voraussetzungen vorzufinden seien. Bei einer kurzfristigen Verhinderung müsse er sich selbst um einen Vertreter kümmern oder die OP verschieben. Es fänden keine Dienstbesprechungen im Krankenhaus, keine Bindung an Dienstpläne und keine Schulungsmaßnahmen statt. Sein Umsatz hänge von seinem Renommee als Arzt ab. Die Preise könne er selbst gestalten, diese hingen von der Schwierigkeit der Operation ab. Er trage auch ein eigenes Unternehmerrisiko, nämlich Verdienstausfall bei Krankheit und Urlaub, ein persönliches Haftungsrisiko sowie die Kosten für Mietverträge und medizinische Fachangestellte.
Unter dem 2. April 2020 teilte die Klägerin mit, einen Vertrag zwischen der privatärztlichen Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie und ihr gebe es nicht. Eine Abrechnung zwischen der privatärztlichen Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie und dem Beigeladenen für die von diesem erbrachten Leistungen werde nach Feststellung des Jahresabschlusses gemäß den Beschreibungen im Gesellschaftsvertrag vorgenommen. Der Beigeladene operiere ausschließlich seine Patienten, welche er entweder in der privatärztlichen Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie oder im A1 MVZ akquiriert habe. Die Klägerin sei eine reine Privatklinik. Bei den Privatpatienten (und den Selbstzahlern) rechne die Privatpraxis die Leistungen des Orthopäden mit dem Patienten ab. Die Klägerin rechne ihre Aufwendungen für die Operation mit dem Patienten ab. Wegen der Beha...