Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Wechsel. Prüfmethode. Verbot der Schlechterstellung
Orientierungssatz
Eine umfassende - auf den Gesamtfallwert bezogene - Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nicht als solche eine Schlechterstellung im Vergleich zur sparten- bzw einzelleistungsbezogenen Honorarkürzung.
Tatbestand
Streitig ist die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Klägers im Primär- und Ersatzkassenbereich im Quartal II/94.
Der Kläger ist als Allgemeinarzt in N. niedergelassen und war im streitbefangenen Quartal zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im Quartal II/94 behandelte er 928 Primär- und Ersatzkassenpatienten (Fachgruppe im Durchschnitt 1.037). Der Anteil der Rentner betrug 36,9% (Fachgruppe 28%). Der Kläger rechnete einen Gesamtfallwert für kurative Leistungen von 1.426,3 Punkten ab, während die Fachgruppe, gewichtet nach dem Rentneranteil des Klägers, durchschnittlich 925,5 Punkte abrechnete. Dies ergab bei einer einfachen Standardabweichung (Sigma) von 211,5 Punkten eine Überschreitung von 2,4 Sigma. Bei der Leistungsgruppe 2 (Besuche) rechnete der Kläger 527,4 Punkte pro Fall ab, während die Fachgruppe, gewichtet nach Rentneranteil, 139,3 Punkte abrechnete. Hieraus ergab sich bei einer einfachen Standardabweichung von 81,9 Punkten eine Überschreitung von 4,7 Sigma. Bei den Wegegebühren (Leistungsgruppe 13) stand dem Fallwert des Klägers von 13,46 Punkten ein nach seinem Rentneranteil gewichteter Fallwert der Fachgruppe von 3,5 Punkten gegenüber (Abweichung 4,3 Sigma oder 284%).
Mit Schreiben vom 18.10.1994 beantragte die Beigeladene Ziff. 1 beim Prüfungsausschuß, die Abrechnung des Klägers daraufhin zu überprüfen, ob die Behandlungsweise dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche.
Der Prüfungsausschuß kürzte mit Bescheid vom 23.03.1995 die Honorarforderung bei Leistungsgruppe 02 auf + 1,8 Sigma-Überschreitung. Dies ergab einen Kürzungsbetrag von 223.350 Punkten; zusätzlich verfügte der Prüfungsausschuß eine anteilige Streichung der Wegegebühren (12.488,-- DM) in Höhe von 5.699,15 DM. Hiergegen erhob der Kläger am 12.04.1995 Widerspruch und führte aus, die beanstandeten Besuche seien erforderlich gewesen, da die Patienten nicht die Praxis aufsuchen könnten. Es sei erstaunlich, daß immer wieder ein paar Gebührenziffern der Abrechnung herausgegriffen würden, die eventuell überhöht sein könnten, während der größte Teil der in einer Allgemeinpraxis abzurechnenden Gebührenziffern sehr stark unter dem Durchschnitt liege.
Der Beklagte änderte mit Bescheid vom 06.07.1995 den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 23.03.1995 ab und ersetzte die Streichung der Leistungsgruppe 2 durch eine Streichung des Gesamtfallwertes bei den kurativen Leistungen auf 1,5 Sigma-Überschreitung in Höhe von 170.330 Punkten zuzüglich einer anteiligen Streichung der Leistungsgruppe 13 in Höhe von 1.608,45 DM. Zur Begründung führte er aus, die Abrechnung des Klägers sei zu Recht mit der Fachgruppe der Praktischen Ärzte/Allgemeinärzte verglichen worden, der im Abrechnungsquartal II/94 1.486 Ärzte angehört hätten. Diese Zahl sei ausreichend groß zur Bildung von Durchschnittswerten; ebenso sei die Fallzahl in der Praxis des Klägers ausreichend groß für einen statistischen Vergleich. Der überdurchschnittliche Rentneranteil in der Praxis des Klägers sei durch eine entsprechende Gewichtung des Fachgruppendurchschnittswertes in den statistischen Vergleich eingeflossen. Bei den Arzneikosten überschreite der Kläger im Quartal II/94 durchschnittlich mit 224,45 DM pro Fall den mit seinem Rentneranteil gewichteten Fachgruppendurchschnittswert von 131,23 DM um 71%. Einsparungen auf dem Arzneikostensektor seien damit nicht gegeben. Seit vielen Jahren werde die Besuchstätigkeit des Klägers beanstandet, wobei die beschlossenen Maßnahmen zum Teil die Leistungsgruppe 02, zum Teil aber auch den Gesamtfallwert beträfen. Der Beklagte habe im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes die Abrechnung auf der Grundlage des statistischen Vergleichs der Gesamtfallwerte geprüft. Den mit dem Rentneranteil in der Praxis des Klägers gewichteten Fallwert der Fachgruppe überschreite der Kläger um 2,4 Sigma. Der Beklagte habe aufgrund mathematisch-statistischer und medizinisch-ärztlicher Erwägungen den Grenzwert zum offensichtlichen Mißverhältnis auf + 1,5 Sigma festgesetzt. Aus statistischer Sicht betrage die Grenzwahrscheinlichkeit, daß die Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt nicht auf Unwirtschaftlichkeit zurückzuführen sei, 6,6%. Die Durchsicht der Behandlungsfälle lasse aus medizinisch-ärztlicher Sicht keine Gründe erkennen, den Beginn des offensichtlichen Mißverhältnisses erst bei einer höheren Abweichung anzunehmen. Es fehlten auch kausale Einsparungen, die den Mehraufwand begründen könnten. Bei den Verordnungskosten erreiche der Kläger einen Mehraufwand von 86.500,-- DM. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei 1,5 Sigma g...