Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Ruhen. Sperrzeit. Aufhebungsvertrag. Abfindung. ergänzende Vereinbarung zur Kündigung. befristete Beseitigung der tariflichen ordentlichen Unkündbarkeit durch Zusatztarifvertrag. Nichteinhaltung der fiktiven Kündigungsfrist des § 143a Abs 1 S 4 SGB 3
Orientierungssatz
1. Durch eine Vereinbarung über die Folgen einer ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung (Inanspruchnahme finanzieller Zuwendungen) löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis iS § 144 Abs 1 Nr 1 SGB 3. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung zur Lösung liegt nicht nur vor, wenn diese ausdrücklich abgegeben wurde (vgl BSG vom 9.11.1995 - 11 RAr 27/95 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9 = BSGE 77, 48).
2. Wird durch einen Zusatztarifvertrag der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung älterer Arbeitnehmer wirksam befristet beseitigt und hat der Arbeitnehmer nach Betriebsvereinbarung (Sozialplan) bei ordentlicher Kündigung Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, so liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist des § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 vor.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen Zahlung einer Abfindung streitig.
Der ... 1943 geborene, seit Juli 1996 als Schwerbehinderter anerkannte Kläger war vom 02.04.1990 bis 31.03.1999 als Maschinenschlosser bei der Motoren-Werke M AG beschäftigt. Er war Mitglied der IG Metall, seine frühere Arbeitgeberin Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden (MTV) in der zuletzt maßgeblichen Fassung vom 18.12.1996 Anwendung, wonach u.a. Beschäftigte nach Vollendung des 53. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Jahren nur noch aus wichtigem Grund kündbar waren (§ 4.4 MTV). Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 23.09.1998 zum 31.03.1999, mit der gleichzeitig eine Abfindung zugesichert wurde. In einer vom Kläger unterschriebenen Ergänzung zur Kündigung sicherte die Arbeitgeberin unter anderem zu, bei einer eventuellen Reduzierung des Arbeitslosengeldes in Höhe und/oder in der Bezugsdauer werde ein entsprechender Ausgleich gezahlt. Mit dieser Regelung waren sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung erfüllt. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von DM 110.000,--.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte aus Anlass der Schließung der D MWM Fahrzeugmotoren GmbH und dem damit verbundenen Abbau aller 158 Arbeitsplätze dieser Firma. Die D GmbH hatte mit den Motoren-Werke M AG und der D AG, Service Center M, in M einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet. Zwischen den Motoren Werken M AG gleichzeitig handelnd im Namen der D M GmbH und dem Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs M wurde der Beschäftigungsplan/Interessenausgleich/Sozialplan vom 09.03.1998 geschlossen (Betriebsvereinbarung 02/98, im Folgenden: Betriebsvereinbarung). Dieser regelte den Abbau von Arbeitsplätzen wegen Schließung der D M ... GmbH zum 31.03.1999 durch das Auslaufen der Baureihe 226 zum vorgenannten Datum und das Verlagern von Produktionsanlagen im Rahmen eines Joint Ventures. Er sah u.a. nach Pensionierungs-Maßnahmen und dem Abschluss von Aufhebungsverträgen betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel des Personalabbaus vor (2.2). Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen oder bei betriebsbedingten Kündigungen war eine Abfindung zu zahlen (2.3), deren Höhe sich nach der Anlage 2 der Betriebsvereinbarung richtete. Gleichzeitig sah die Betriebsvereinbarung Regelungen zur sozialen Auswahl (2.5 i.V.m. Anlage 3) vor. Die Betriebsvereinbarung ersetzte den Interessenausgleich/Sozialplan vom 15.10.1993, der das Auslaufen der Produktion der Baureihe 226 geregelt und für in diesem Zusammenhang ausscheidende Arbeitnehmer ebenfalls Abfindungen vorgesehen hatte. Am 05.06.1997 schlossen die Tarifparteien den Zusatztarifvertrag zum MTV für alle Mitarbeiter, so weit sie Mitglied der IG Metall waren und einer der o.g. Firmen des Gemeinschaftsbetriebes in Mannheim angehörten. Nach § 2 des Zusatztarifvertrages fand § 4.4 MTV keine Anwendung, für die Beschäftigten galten die ordentlichen Kündigungsfristen gemäß § 4.5 MTV. Der Zusatztarifvertrag endete am 31.12.1998 und wirkte nicht nach (§ 3 Zusatztarifvertrag).
Zum 01.04.1999 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA) M arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg.
Mit Bescheid vom 06.05.1999 lehnte das AA den Antrag für die Zeit bis 23.06.1999 ab. Vom 01.04.1999 bis 23.06.1999 sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten. Er habe das Arbeitsverhältnis selbst gelöst. Zwar habe der Arbeitgeber eine Kündigung ausgesprochen, nach dem tatsächlichen Verlauf stehe diese jedoch dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages gleich. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Alg um 242 Tage. Mit weiterem Bescheid vom 06.05.1999 lehnte das AA die...