Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer GmbH. Kapitalbeteiligung. Vorliegen einer echten Sperrminorität. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei der GmbH selbständig tätig, wenn er über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 % oder eine echte Sperrminorität verfügt. Die Sperrminorität muss sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassen und hinreichend beständig sein. Kann ein Gesellschafterbeschluss, der Einstimmigkeit vorsieht, jederzeit durch die Gesellschafterversammlung mit der satzungsmäßigen Mehrheit gegen den Willen des Gesellschafter-Geschäftsführers aufgehoben werden, so ist seine durch den Einstimmigkeitsbeschluss vermittelte Sperrminorität nicht hinreichend beständig.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene Ziff. 1 in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin in der Zeit vom 29. Januar 2015 bis zum 15. November 2015 abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen ist.
Der in 1959 geborene Beigeladene Ziff.1 ist Diplomvolkswirt und seit Februar 1992 als Steuerberater, seit 1. Januar 1995 selbständig tätig.
Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 2. Januar 2015 gegründet und am 26. Januar 2015 in das Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital der Klägerin betrug 25.000,00 €. Die Stammeinlage wurde durch Übergang des Vermögens der zwischen dem Beigeladenen Ziff. 1 und R. H. bestehenden P. Schaftsgesellschaft SPK Z. und P. Steuerberatungsgesellschaft im Wege des Formwechsels geleistet, wobei auf den Beigeladenen Ziff. 1 20.000,00 € entfielen. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Klägerin können nur mit 75,1 % der anwesenden Stimmen gefasst werden, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung eine andere Mehrheit vorschreibt oder durch abweichenden einstimmigen Gesellschafterbeschluss aller Gesellschafter Einstimmigkeit vereinbart wird (§ 11 Abs. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages). Über die Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit (§ 11 Abs. 5 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages). Für den Fall, dass Personen im Sinne des § 50a Abs. 1 Nr. 5 Steuerberatungsgesetz (StBerG) zusammen über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügen, ergeben je € 1,00 Geschäftsanteil eine Stimme. Für den Fall, dass Personen im Sinne des § 50a Abs. 1 Nr. 5 StBerG zusammen nicht über die Mehrheit der Geschäftsanteile verfügen, stehen ihnen gemeinsam dennoch 51% der Stimmrechte zu, die sich untereinander im Verhältnis der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile aufteilen. Den nicht unter § 50a Abs.1 Nr. 5 StBerG fallenden Gesellschaftern stehen in diesem Fall 49% der Stimmrechte zu, die sich untereinander ebenfalls im Verhältnis der von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile aufteilen.
Durch notariellen Vertrag vom 29. Januar 2015 trat der Beigeladene Ziff. 1 mit sofortiger Wirkung und mit allen Rechten und Pflichten und dem Gewinnbezugsrecht rückwirkend nach dem Verhältnis ab 1. Januar 2015 Gesellschaftsanteile im Umfang 3.975,00 € an vier Steuerberater und einen weiteren Geschäftsanteil in Höhe von 12.525,00 € an die F. und P. GmbH Steuerberatungsgesellschaft ab.
Zu Geschäftsführern der Klägerin wurde der Beigeladene Ziff. 1 und alle Steuerberater mit Gesellschaftsanteil bestellt.
Die Klägerin schloss mit dem Beigeladenen Ziff. 1 am 30. Januar 2015 für die Zeit ab 1. Januar 2015 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit folgenden Regelungen:
„§ 1 Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis
1.1. Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft unter Beachtung der Vorschriften des Gesellschaftsvertrages der Gesellschaft und der Rechte und der Gesellschafterversammlung zu vertreten.
1.2. Als Geschäftsführer obliegt ihm die selbständige Leitung der Steuerberatungsgesellschaft nach Maßgabe der Gesetze und des Gesellschaftsvertrages unter voller Beachtung der im Steuerberatungsgesetz festgelegten Grundsätze.
1.3. Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
§ 2 Arbeitsleistung, Wettbewerb
...
2.2. Eine bestimmte Arbeitszeit ist nicht vereinbart. Es besteht jedoch Übereinstimmung darin, dass die wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit mindestens 40 Stunden beträgt und die Einteilung der Arbeitszeit sich nach den betrieblichen Erfordernissen der Gesellschaft zu richten hat.
2.3. Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Laufzeit dieses Vertrages seine Arbeitskraft, seine Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zu widmen.
2.4. Er ist mit Rücksicht ...