Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführer bei einer GmbH. Kapitalbeteiligung. Vorliegen einer echten Sperrminorität. Rechtsmacht. selbstständige Tätigkeit. abhängige Beschäftigung. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei der GmbH selbständig tätig, wenn er über eine Kapitalbeteiligung von mindestens 50 % oder eine echte Sperrminorität verfügt. Die Sperrminorität muss sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassen und hinreichend beständig sein (vorliegend bejaht).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. April 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten; außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Ziff. 2 in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin Ziff. 1 seit dem 24. Februar 2014 abhängig beschäftigt und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.
Die Klägerin Ziff. 1 erbringt beratende Ingenieurleistungen. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 25.000,00 €. Die Satzung der Klägerin Ziff. 1 enthält in der Fassung des Beschlusses vom 24. Februar 2014 u.a. folgende Regelungen:
„§ 5 Geschäftsführung und Vertretung
(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft alleine. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich gemeinsam oder einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten.
(2) Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann jedem Geschäftsführer Einzelvertretungsbefugnis erteilt und/oder Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eingeräumt werden.
(3) Die Geschäftsführer werden grundsätzlich durch die Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen.
(4) Ist ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter mit einem Anteil von mindestens 20% am Stammkapital, so kann er nur aus wichtigem Grund abgerufen werden.
Ein wichtiger Grund zur Abberufung ist insbesondere gegeben, wenn
- die Erfüllung seiner gesetzlichen/vertraglichen Verpflichtungen als Geschäftsführer dauerhaft nicht mehr möglich ist, z.B. bei andauernder Krankheit von mehr als einem Jahr oder ärztlich festgestellter Erwerbsminderung von mindestens 50%, sofern eine Besserung nicht zu erwarten ist,
- der Geschäftsführer seine gesetzlichen/vertraglichen Verpflichtungen vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt und er - soweit zumutbar - vorab wegen seines Verhaltens abgemahnt wurde.
(5) Mit der Abberufung endet zugleich auch ein etwaiges Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers. Die Abberufung suspendiert den Geschäftsführer von seinen Rechten und Pflichten mit sofortiger Wirkung, bis ihre etwaige Unwirksamkeit rechtkräftig festgestellt wurde.
(6) Die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer gilt für alle gewöhnlichen, branchenüblichen Geschäfte; für alle anderen Geschäfte ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Die Zustimmung ist insbesondere zu allen wichtigen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, die in Art, Höhe und Umfang des Wagnisses über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, erforderlich.
(7) Die Rechte und Pflichten des/der Geschäftsführer ergeben sich aus dem Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Geschäftsführervertrag einschließlich der Liste der zustimmungspflichtigen Geschäfte, der Geschäftsführungsordnung, und den Anweisungen der Gesellschafterversammlung.
(8) Bei Abschluss, Änderung oder Beendigung von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern wird die Gesellschaft durch die Gesellschafterversammlung vertreten.
(9) Ist ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter, so können Beschlüsse nach Abs. 6-8 nicht ohne seine Zustimmung getroffen werden, soweit sie ihn in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer betreffen.
§ 7 Gesellschafterbeschlüsse
(1) Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen gefasst. Dies gilt nicht, soweit das Gesetz zwingend oder dieser Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Für die folgenden Beschlüsse ist ein einstimmiger Beschluss erforderlich:
- Auflösung der Gesellschaft
- Kapitalerhöhungen/Kapitalherabsetzungen
- Verfügung über Gesellschaftsanteile gemäß § 9 dieses Vertrages
- Umwandlung der Gesellschaft
- Änderung des Gesellschaftsvertrages. ...
(3) Je € 1,00 eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. ...“
Der in 1970 geborene Kläger Ziff. 2 ist Dipl.-Ing. und war zunächst als Tragwerksplaner bei der Klägerin Ziff. 1 bzw. ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Mit Wirkung zum 12. April 2010 wurde er zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten (Fremd-)Geschäftsführer...