Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragssatzung. Zusammenfassung von Gefahrtarifstellen nach Gewerbezweigen. gerichtliche Überprüfung. annähernd gleiche Gefährdungslage der erfassten Unternehmen. vergleichbares Versicherungsfallrisiko bei Rechtsanwaltskanzlei, Wirtschaftsunternehmen und Religionsgemeinschaft. keine signifikante Abweichung von der Durchschnittsbelastung
Leitsatz (amtlich)
Es liegt im freien Gestaltungsspielraum des unfallversicherungsrechtlichen Satzungsgebers, die Reduzierung der durch eine Fusion von Unfallversicherungsträgern bedingten Zunahme von Gefahrtarifstellen durch Zusammenfassung bisheriger Gefahrtarifstellen durch Bildung von übergreifenden Gewerbezweigen zu bewirken. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt jedoch, ob die vom Satzungsgeber definierten Merkmale der neuen Gewerbezweige eine hinreichende Abgrenzung der davon erfassten Unternehmen bei generell annähernd gleicher Gefährdungslage erlaubt und die Bildung der Gefahrtarifstelle nicht zu signifikant abweichenden Belastungsziffern der davon erfassten einzelnen Gewerbezweige im Vergleich zur Durchschnittsbelastung der Tarifstelle insgesamt führt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.02.2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 19.828,14 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Veranlagung zum Gefahrtarif und die Beitragserhebung.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei, in der er Arbeitnehmer beschäftigt (Blatt 1 VA).
Mit Bescheid vom 08.04.2005 (Blatt 2 VA) stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers fest, mit weiteren Bescheiden vom 08.04.2005 den Beginn der Beitragspflicht ab 01.01.2005 (Blatt 3 VA) sowie die Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 11 (Rechtsanwalt, Notar, Rechtsbeistand, Rentenberatung) mit der Gefahrklasse 0,57 (Blatt 4 VA).
Aufgrund des Inkrafttretens eines neuen Gefahrtarifs zum 01.01.2007 wurde das Unternehmen des Klägers mit Bescheid vom 27.06.2007 (Blatt 10 VA) zu der Gefahrtarifstelle 08 (Rechts- und wirtschaftsberatende Unternehmen, Organ der Rechtspflege) mit der Gefahrklasse 0,44 und aufgrund des neuen Gefahrtarifs zum 01.01.2009 ebenfalls zu der Gefahrtarifstelle 08 und der Gefahrklasse 0,44 zugeordnet (Bescheid vom 24.06.2009, Blatt 17 VA). Eine weitere Veranlagung erfolgte nach der Fusion der BG Bahnen mit der Beklagten aufgrund des für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2010 gültigen Gefahrtarifs wiederum zu der Gefahrtarifstelle 08 mit der Gefahrklasse 0,44 (Bescheid vom 25.08.2010, Blatt 20 VA).
Mit Bescheid vom 03.11.2010 (Blatt 21 VA) veranlagte die Beklagte das Unternehmen des Klägers ab dem 01.01.2011 (Gefahrtarif 2011) zu der Gefahrtarifstelle 05 (Beratung und Auskunft) und der Gefahrklasse 0,59.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 09.11.2010 Widerspruch (Blatt 22 VA) und machte geltend, dass eine Erhöhung von 0,44% auf 0,59%, mithin um 34,09 %, nicht gerechtfertigt sei und sich nicht erkennen lasse, wie diese Erhöhung zustande komme.
Mit Schreiben vom 23.03.2011 (Blatt 28 VA) wies die Beklagte darauf hin, dass hinsichtlich des neuen Gefahrtarifs Musterverfahren vereinbart worden seien, deren Ergebnis abgewartet werden solle. Ein Widerspruch gegen den Beitragsbescheid 2011 sei entbehrlich, da dieser in analoger Anwendung von § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens werden könne.
Den Beitrag für das Jahr 2011 setzte die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 20.04.2012 (Blatt 32 VA) auf 1.330,26 € fest, gegen den Bescheid erhob der Kläger am 22.05.2012 (Blatt 34 VA) unter Verweis auf die Musterverfahren bezüglich des Gefahrtarifs Widerspruch.
Für das Jahr 2012 setzte die Beklagte den Beitrag mit Bescheid vom 22.04.2013 (Blatt 37 VA) auf 1.019,02 € fest, gegen den Bescheid erhob der Kläger am 24.04.2013 Widerspruch (Blatt 39 VA).
Weiterhin erhob der Kläger am 28.04.2014 (Blatt 44 VA) Widerspruch gegen den Beitragsbescheid 2013 vom 22.04.2014 (Blatt 42 VA) über 1.027,87 € und am 21.05.2015 (Blatt 51 VA) gegen den Beitragsbescheid 2014 vom 20.04.2015 (Blatt 47 VA) über 1.450,99 €.
Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2015 (Blatt 53 VA) zurück und führte zur Begründung aus, dass eine Zuständigkeit für eine Vielzahl von Unternehmensarten bestehe, die sich unter anderem nach Art und Gegenstand des Unternehmens, der eingesetzten Technik und nicht zuletzt ihrer Unfallgefahr unterscheiden würden. Die Beklagte sei zur Aufstellung eines Gefahrtarifs verpflichtet, der alle Unternehmensarten enthalte, für die eine Zuständigkeit bestehe sowie die Gefahrklassen. Diese würden nicht für einzelne Unternehmen, sondern für Unternehmensarten berechnet, wobei die Berechnung nicht willkürlich vorgenommen worden sei, sondern versicherungsmathematisch begründet und somit nachvollziehbar. Als Gefährdungsrisiko gelte daher nicht die Gefährdung des Einzelun...