Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht eines sozialhilfebedürftigen Nicht-EU-Ausländers. Kontingentflüchtling. unbefristete Niederlassungserlaubnis. rückwirkender Bezug von Grundsicherungsleistungen. Beginn der Mitgliedschaft bei nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 Versicherungspflichtigen
Orientierungssatz
1. Nicht-EU-Ausländer unterfallen, sofern ihre Niederlassungserlaubnis ohne die Verpflichtung erteilt wurde, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bzw. Vermögen zu gewährleisten, nur dann der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5, wenn keine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 bis Nr 12 SGB 5, § 9 SGB 5 (freiwillige Versicherung) und § 10 SGB 5 (Familienversicherung) besteht und sie auch keine laufenden Leistungen nach dem SGB 12 erhalten. Insofern gilt für sie nichts anderes wie für deutsche Staatsbürger.
2. In Bezug auf den Beginn der Mitgliedschaft der nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 Versicherungspflichtigen gem. § 186 Abs 11 SGB 5 ist bei zuvor beantragten laufenden Leistungen nach dem SGB 12 nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, wann tatsächlich die Verwaltungsentscheidung über die Leistungsgewährung ergeht und damit die unter Umständen rückwirkende Gewährung laufender Leistungen einsetzt, sondern ab welchem Zeitpunkt ein Anspruch auf laufende Leistungen, hier Grundsicherungsleistungen, nach dem SGB 12 besteht.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. August 2008 aufgehoben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2007 abgeändert und festgestellt wurde, dass bei der Klägerin ab dem 6. Juni 2007 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Klägerin bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert ist.
Die 1936 geborene Klägerin ist weißrussische Staatsbürgerin und erhielt - nach ihren Angaben - von der Deutschen Botschaft in Minsk am 30. April 2007 ein für die Zeit vom 25. Mai 2007 bis 22. August 2007 befristetes Visum für die Bundesrepublik Deutschland und die Schengener Staaten zum Zwecke der Aufnahme in Deutschland nach § 23 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) als so genannter Kontingentflüchtling. Nach ihren Angaben handelte es sich um ein Visum, dessen Erteilung sich nach § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Niederlassungserlaubnis und die Daueraufenthalt-EG-Erlaubnis geltenden Vorschriften richtete. Mit diesem Visum reiste die Kläger am 30. Mai 2007 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde mit Bescheid des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald vom 31. Mai 2007 (Bl. 53/55 Verwaltungsakte - VA -) in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Kirchzarten für die Dauer von sechs Monaten untergebracht. Am 6. Juni 2007 erhielt die Klägerin eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 AufenthG (Bl. 45 VA).
Am 4. Juni 2007 hatte die Klägerin des Weiteren Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt. Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 bewilligte das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald (Bl. 12 VA) der Klägerin rückwirkend ab 1. Juni 2007 Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Am 15. Juni 2007 gab die Klägerin bei der Beklagten eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Gesetzliche Pflegeversicherung - (SGB XI) ab (Bl. 38 VA). Mit Bescheid vom 26. Juni 2007 (Bl. 8 VA) lehnte es die Beklagte ab, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Klägerin festzustellen. Die Klägerin beziehe Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII ab 1. Juni 2007. Dies schließe nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2007 zurückwies. Zur Begründung führte die Beklagte aus, versicherungspflichtig würden Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hätten und zuletzt gesetzlich krankenversichert oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert gewesen seien (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V). Nach § 5 Abs. 8a Satz 1 und 2 SGB V sei jedoch nicht versicherungspflichtig, wer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert sei. § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V gelte entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII und für Empfänger laufender Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die Mitglie...