Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschädigtenversorgung. Auslandsversorgung. lettischer Staatsangehöriger. 273. Polizeibataillon. Unterstellung unter die Deutsche Wehrmacht

 

Orientierungssatz

1. Kein Anspruch eines lettischen Staatsangehörigen auf Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz für eine während der Angehörigkeit zum 273. Polizeibataillon erlittene Verwundung, wenn für den Verletzungszeitpunkt eine Unterstellung des Polizeibataillons unter die Deutsche Wehrmacht nicht nachgewiesen worden ist.

2. Nach § 1 Abs 3 der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1983 ging der Dienst bei der Polizei dieser Verordnung vor. Daraus folgt zumindest, dass es sich grundsätzlich um zwei verschiedene Arten der Dienstverpflichtung handelte, so dass Anwendung dieser Norm bei Angehörigen der Einheiten der Ordnungspolizei ausscheidet. Nach Auffassung des Senats scheidet auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung (§ 3 Abs 1 Buchst k BVG) aus.

3. Nicht jeder Dienst, der auch vom Militär verrichtet wird, muss aus rechtlicher Sicht auch dann militärähnlicher Dienst iS des § 7 Abs 1 Nr 3 Alt 2 BVG sein, wenn er von anderen Organisationen geleistet wird. Wenn derartige Tätigkeiten im Rahmen anderer, selbständiger Verbände, nämlich von Polizeiverbänden, im Rahmen der Aufgaben dieser Verbände ausgeführt worden sind, dann handelt es sich materiell gesehen eben nicht um militärähnlichen Dienst, sondern um polizeilichen Dienst, zumindest solange, als der Einsatz nicht konkret für die Wehrmacht ausgeführt worden ist. Nur eine solche Unterscheidung wird auch der unterschiedlichen versorgungsrechtlichen Stellung von Polizisten einerseits (nach beamtenrechtlichen Grundsätzen) und Personen, die militärischen oder militärähnlichen Dienst leisten, andererseits (Versorgung nach dem BVG) gerecht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.04.2002; Aktenzeichen B 9 V 2/01 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Gewährung von Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Rahmen der Auslandsversorgung streitig.

Der ... 1926 geborene Kläger ist lettischer Staatsangehöriger. Am 29. November 1991 beantragte er die Gewährung von Versorgung. Er gab an, als Angehörigem des 273. Lettischen Polizeibataillons am 29. Februar 1943 seien ihm in der Gegend von Sebesch während des Kampfes beide Beine durchschossen worden; als Folge der darauf eingetretenen Blutvergiftung habe er das rechte Bein amputiert bekommen. Angehöriger des Polizeibataillons 273 sei er von November 1942 bis Februar 1943 gewesen.

Nach Angaben der Deutschen Dienststelle liegen über den Kläger keine Unterlagen vor. Das Lettische Historische Staatsarchiv teilte dem Versorgungsamt R (VA) mit, nach den dortigen Unterlagen habe der Kläger im Lettischen Polizeibataillon 273 der ehemaligen deutschen Wehrmacht Dienst geleistet, wobei die Dienstzeit nicht bekannt sei. In einer durch das Historische Staatsarchiv übermittelten Unterlage (Stabsbefehl Nr. 78 des Fernmeldeoffiziers der Lettischen Polizeieinheiten vom 11. Juli 1944) wurde ausgeführt, der Soldat der Genesungskompanie (Grundeinheit Bataillon 273) der Lettischen Legion -- Polizei -- B sei als dienstunfähig aus dem Dienst zu entlassen. Das Bundesarchiv Freiburg (Militärarchiv) teilte dem VA am 6. Mai 1994 mit, das 273. Polizeibataillon sei im Juli 1942 aufgestellt und ab März 1943 bei dem Einsatz-Stab Schröder eingesetzt worden.

Desweiteren legte der Kläger einen Röntgenbericht vom 1. April 1992 der Poliklinik des zentralen Rayonkrankenhauses K vor, wonach das rechte Bein auf der Höhe des untersten Drittels des Oberschenkelknochens amputiert worden sei und sich nunmehr eine deformierende Arthrose des rechten Hüftgelenkes entwickelt habe.

Mit Bescheid vom 28. September 1994 lehnte das VA den Antrag auf Beschädigtenversorgung mit der Begründung ab, dass 273. Polizeibataillon sei ein Verband der Ordnungspolizei gewesen, der nur zeitweise bei gemeinsamen Unternehmen von Wehrmacht und Polizei dem militärischen Oberbefehl unterstanden habe. Für den fraglichen Zeitpunkt könne für diesen Verband keine militärische Unterstellung nachgewiesen werden. Es fehle daher für die nachgewiesene Verwundung an dem erforderlichen militärischen Dienst im Sinne des BVG.

Mit seinem am 7. November 1994 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das 273. Polizeibataillon, welches später dem 276. Bataillon eingegliedert worden sei, habe dem Oberbefehl der Wehrmacht unterstanden und den Frontnachschub der Deutschen Streitkräfte gesichert.

Das Historische Staatsarchiv Lettland übermittelte Unterlagen u.a. über die Einsätze des 273. Polizeibataillons. Dieses sei am 8. Februar 1943 der Gruppe Schröder unterstellt worden. Es habe eine Stärke von 436 Mann, davon 19 Führungs- und 55 Unterführungsoffiziere, gehabt und sei u.a. mit 4 Granatwerfern und 38 Maschinengewehren ausgerüstet worden (Stärke, Bewaffnung und Fahrzeuge der Schutzmannschaften -- Bataillons 273, 279, Stand 2. Februar 1943). Am 21. Februar 1943 sei das Polizeibataillon 273 bei einem Säuber...

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