Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbstständiger. Kenntnisnahme von bestehender Versicherungspflicht durch Feststellungs- und Beitragsbescheid

 

Orientierungssatz

1. Die gesetzliche Regelung des § 231 Abs 6 SGB 6 hinsichtlich der Befreiung vom Eintritt der Versicherungspflicht eines selbstständig Tätigen (hier: Lehrer) bezweckt den Schutz des Versicherten, der im guten Glauben bereits anderweitig für sein Alter vorgesorgt hat.

2. Eine positive Kenntnis von der Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger in der Zeit vor dem 1.1.1999 ergibt sich daraus, wenn dem Betroffenen mehrere Bescheide des Rentenversicherungsträgers über die Feststellung der Versicherungspflicht als Selbstständiger und über die Zahlung von Pflichtbeiträgen zugegangen sind.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. September 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin als selbstständige Lehrerin von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (RV) ab 01. Januar 1999 zu befreien ist.

Die 1951 in C., Frankreich, geborene Klägerin, die französische Staatsangehörige ist, legte das Abitur im Juni 1969 ab. Nach dem Besuch einer höheren Wirtschaftsschule (Diplom vom Juni 1973) und der Teilnahme an Deutschkursen von November 1973 bis April 1974 arbeitete sie - mit Unterbrechung von Januar 1978 bis Juni 1981 wegen Kindererziehung - als Aushilfe, als Fremdsprachensekretärin und als Export-Sachbearbeiterin, und zwar bis zum 30. September 1987. Ihrem Vorbringen zufolge ist sie seit 01. November 2004 im Betrieb ihres Ehemannes wieder als kaufmännische Angestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Am 05. November 1987 hatte die Klägerin mit Beginn der Tätigkeit am 01. November 1987 bei der Stadt S. ein Gewerbe mit der Tätigkeit “Exportabwicklung für diverse Firmen sowie Übersetzungen und Sprachunterricht" angemeldet. Am 16. Dezember 1987 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage der Gewerbe-Anmeldung die Zulassung zur freiwilligen Versicherung ab 01. Oktober 1987. Sie gab an, ab 01. Oktober 1987 bestehe bei ihr in der RV Versicherungsfreiheit. Ihre Tätigkeit ab 01. Oktober 1987 gab sie mit der einer Exportkauffrau sowie einer Sprachlehrerin und Übersetzerin an. Mit Bescheid vom 18. März 1988 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin berechtigt sei, freiwillige Beiträge zur RV zu entrichten. Diese Beiträge wurden auch tatsächlich ab 01. Oktober 1987 von der Klägerin bezahlt.

Mit Formantrag vom 26. September 1989, Eingang bei der Beklagten am 29. September 1989, beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten bargeldlose Beitragsentrichtung in der Angestelltenversicherung für eine Pflichtversicherung von Selbstständigen. Dazu legte sie erneut die Gewerbe-Anmeldung vom 05. November 1987 vor. Sie gab an, seit Oktober 1987 Sprachunterricht zu erteilen und Übersetzungen zu fertigen, und zwar insgesamt 18 Stunden pro Woche. Auf Anfrage der Beklagten zur wöchentlichen Stundenzahl des Sprachunterrichts ergänzte sie, es seien 17 Stunden Sprachunterricht und gelegentliche Übersetzungen. Sie bezifferte ihr Arbeitseinkommen mit jährlich DM 24.000,--. Mit Bescheid vom 08. Januar 1990 teilte die Beklagte der Klägerin mit, nach den durchgeführten Ermittlungen unterliege sie in ihrer Tätigkeit als selbstständige Lehrerin der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Kraft Gesetzes müssten versicherungspflichtige Selbstständige ihre Beiträge im Abbuchungsverfahren entrichten. Die Klägerin bezifferte dann ihre Einkünfte als selbstständige Übersetzerin/Sprachlehrerin für November und Dezember 1987 mit DM 4.522,91 und für 1988 auf insgesamt DM 33.710,47. Daraufhin teilte ihr die Beklagte am 21. Februar 1990 mit, für die Zeit vom Oktober 1989 bis März 1990 seien Pflichtbeiträge zur RV nachzuentrichten; die laufenden Beiträge begännen ab April 1990. Mit Bescheid vom 26. März 1990 wurden für die genannte Zeit von Oktober 1989 bis März 1990 Beiträge zur RV in Höhe von DM 2.244,-- nachgefordert. Der monatliche Beitrag ab April 1990 wurde auf DM 374,-- festgesetzt. Mit Bescheid vom 21. Juli 1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei nach § 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) versicherungspflichtig. Versicherungspflichtige Selbstständige zahlten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche. Ein vom Regelbeitrag abweichender Beitrag könne nur auf Antrag festgestellt werden. Da bis zum 30. Juni 1994 ein derartiger Antrag nicht eingegangen sei, müsse sie ab August 1994 den Regelbeitrag in Höhe von DM 552,64 monatlich zahlen. Am 12. Januar 1996 gab die Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung des Finanzamts (FA) S. II an, ihre Einkünfte aus der selbststä...

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